Profil:Evan Spiegel

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(Foto: Olivier Douliery/AFP)

Snapchat-Gründer, der Miranda Kerr eroberte und dem nun Zuckerberg zusetzt.

Von Claus Hulverscheidt

Im Dezember 2014 passierte Evan Spiegel etwas, das ihm schon damals auf Partys nicht oft passierte. Er traf eine hübsche Frau, plauderte mit ihr, doch sie erkannte ihn nicht und ließ ihn stehen. "Ich dachte: süß - aber viel zu jung", erzählte die Dame gut zwei Jahre später, als sie der Altersunterschied längst nicht mehr interessierte. Ende Mai ehelichte Miranda Kerr, 34, den "süßen Jungen", und mittlerweile weiß sie auch, wen sie da vor sich hat: Mit gerade 27 Jahren ist der Gründer des Foto- und Textmitteilungsdienstes Snapchat einer der jüngsten Milliardäre der Welt.

Die Heirat mit dem australischen Top-Model war für Spiegel der vorläufige Höhepunkt in einem Leben, das es bisher gut mit ihm gemeint hat. Der Studienabbrecher mit den brauen Augen und dem Grübchen im Kinn wuchs in einer Anwaltsfamilie auf, gab schon als Teenager das Geld seiner Eltern mit vollen Händen aus und interessierte sich - außer für Partys - für Kunst und Design. Er wäre wohl auch klargekommen, hätte nicht, irgendwann Anfang 2011, sein Kommilitone Reggie Brown an die Tür geklopft und ihm von einem blöden Fauxpas berichtet: Brown hatte über einen Mitteilungsdienst ein Foto versandt, von dem ihm rasch schwante, dass er es vielleicht nicht hätte verschicken sollen. Spiegel wusste angeblich sofort: "Das ist die Millionen-Dollar-Idee!"

Snapchat ist eine Handy-App, mit der Nutzer Fotos, Videos und kurze Texte verschicken können, die in der Regel binnen Sekunden oder spätestens Stunden nach dem Ansehen einfach wieder verschwinden. Für Erwachsene mag das absurd klingen, doch bei Jugendlichen traf Spiegel einen Nerv. Denn anders als etwa bei Facebook, wo Teenager befürchten müssen, dass Eltern, Lehrer oder Nachbarn ihre "Freunde" werden wollen und damit Zugriff auf alle Texte und Fotos bekommen, ist Snapchat ein Dienst, der vergisst und verzeiht. Auch müssen Bilder und eigenes Aussehen nicht perfekt sein, Ziel ist eher, Freunde und Bekannte am eigenen Alltag teilhaben zu lassen. Allerdings sinkt auch die Hemmschwelle, Fotos zu verbreiten, die man in weniger albernem oder benebeltem Zustand nicht verschickt hätte.

Mit Spiegels Erfolg kamen jedoch auch die Konkurrenten und Neider, und das ist der Grund, dass dem Gipfelstürmer aus Los Angeles derzeit erstmals der Wind so richtig ins Gesicht weht. Anfang März hatte er die Firmenmutter Snap an die Börse gebracht, doch nach zwei sehr ernüchternden Quartalsberichten hat die Aktie mittlerweile mehr als 60 Prozent ihres Werts verloren. Vor allem Facebook-Chef Mark Zuckerberg, dessen Drei-Milliarden-Dollar-Kaufangebot für Snapchat Spiegel einst ablehnte, setzt ihm mit seinem eigenen Dienst Instagram unentwegt und unerbittlich zu. Die Facebook-Tochter, so klagt Spiegels Gattin Kerr, "hat meinem Partner alle seine Ideen gestohlen". Tatsächlich sieht es zunehmend so aus, als habe Instagram das Rennen um den beliebtesten Fotodienst nach langem Kampf nun für sich entschieden.

Zuckerberg, der rabiate Angreifer, Spiegel, das unschuldige Opfer - ganz so simpel ist die Sache nicht. Zwar ist Spiegel, der auch schon für Modemagazine posierte, weder ein aggressiver Computer-Nerd wie Zuckerberg, noch ein Raubein wie Ex-Uber-Boss Travis Kalanick. Doch viele der Geschichten, die über ihn im Umlauf sind, ähneln sehr wohl denen, die man sich auch über andere Tech-Gründer erzählt. Da sind die Rechtsstreitigkeiten mit Studienfreunden, die einst mit ihm an Ideen tüftelten und sich jetzt um Millionen betrogen sehen. Da sind E-Mails aus seiner Teenager-Zeit, in denen er über Frauen und Schwule herzieht, und da gibt es einen Brief, in dem der schnöselige Junge seinen Vater anbettelt, ihm einen BMW zu kaufen. Doch weil Spiegel praktisch keine Interviews gibt und kaum über sich spricht, weiß man bis heute nicht so recht, was sich hinter dem jugendlichen Gesicht mit dem Zahnpastalächeln wirklich abspielt. Vielleicht wird Miranda Kerr es herausfinden.

© SZ vom 12.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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