Profil:Doris von Sayn-Wittgenstein

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AfD-Kandidatin, die selbst der Parteiführung unbekannt war.

Von Jens Schneider

(Foto: Julian Stratenschulte/dpa)

Es ist eine politische Karriere, die mehr über die AfD erzählt als jeder Blick in das Programm der Partei. Nur eine Stimme zusätzlich, und es wäre eine Frau gleichberechtigte Parteichefin geworden, die nicht nur außerhalb der AfD niemand kannte, sondern auch in deren Führung. Er habe sie vorher nie gesehen oder gesprochen, sagte Alexander Gauland, der mächtigste Mann der Partei, Doris von Sayn-Wittgenstein erzählt es genauso. Sie kenne Björn Höcke nicht gut, den Kopf der ganz rechten Gruppierung namens "Flügel", die in der AfD immer stärker wird. Aber sie sei gern beim "Kyffhäuser-Treffen" dabei, der jährlichen Zusammenkunft dieser völkisch nationalen Gruppierung in der AfD, am Denkmal für den preußischen König und deutschen Kaiser Wilhelm I. in Thüringen.

Sayn-Wittgenstein ist Anwältin, "seit 34 Jahren an der Familienrechtsfront". Auf dem Parteitag sei sie spontan zum Kampf um das Spitzenamt angetreten, nachdem Parteifreunde sie aufgefordert hätten: Man sorge schon für die Unterstützung, sei ihr versprochen worden. Da könnten auch Leute vom "Flügel" dabei gewesen sein.

Die 63-Jährige ist erst seit einem Jahr in der Partei, die ihr noch zu Bernd Luckes Zeiten zu sehr aufs Ökonomische beschränkt war. "Heimat statt Multikulti" lautete einer ihrer Wahlkampfslogans in Schleswig-Holstein, wo sie der Landtagsfraktion angehört. Seit Juli ist sie AfD-Landesvorsitzende. Sie setzte sich gegen den Fraktionschef durch, der als eher moderat gilt. Es gibt Spannungen im Landesverband.

In Hannover hielt sie nun eine Rede, von der viele fanden, dass der für rechtsnationale Reden bekannte Höcke sie auch hätte halten können. Ihr Erfolg half dem "Flügel", den eher pragmatischen Berliner Landeschef Georg Pazderski zu verhindern. Beide verzichteten, Gauland sprang ein.

Sie habe das Herz der Partei getroffen, sagt Gauland über die Frau, die etwa behauptete, dass junge Menschen vom Verfassungsschutz beobachtet würden, nur weil sie Volkstänze üben wollten. "Das ist nicht unsere Gesellschaft", rief sie aus, Mitglieder der AfD würden ausgegrenzt. Sie habe im Freundes- und Bekanntenkreis aussortiert und lebe inzwischen bewusst "in einer Blase", sagt sie dazu am Montag. Es mache keinen Sinn, mit Menschen zu reden, die man nicht erreichen könne.

Ist von Menschen mit Adelstiteln die Rede, fällt umgangssprachlich oft der Ausdruck, jemand sei ein "von und zu". Im Fall der AfD-Politikerin aber legt vor allem der alteingesessene Adel Wert auf die feinen Unterschiede: Bei Doris von Sayn-Wittgenstein handele es sich nicht um eine "zu Sayn-Wittgenstein" aus diesem traditionsreichen Adelszweig. Der Titel mit dem "von" am Anfang werde hingegen seit geraumer Zeit von Titelhändlern zu hohen Preisen verkauft.

Doris von Sayn-Wittgenstein erklärt, dies sei einfach ihr Name. Es handele sich um zwei verschiedene Familien, "wie bei Müller und Schulze, nur nicht so deutlich", sagt sie.

© SZ vom 05.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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