Profil:Donny McCaslin

Lesezeit: 2 min

Ausnahme-Saxofonist und David Bowies letzter musikalischer Partner.

Von Andrian Kreye

Es geschieht selten, dass Jazzmusiker Rockgeschichte schreiben. Meist sind sie nur Ornament, wie Sonny Rollins mit seinem Solo auf "Waiting for a friend" von den Rolling Stones oder Phil Woods in Billy Joels "Just the way you are". Der Tenorsaxofonist Donny McCaslin aber ist auf David Bowies Abschiedswerk "Blackstar" nicht nur Gast. Der 49-jährige Kalifornier prägt das Album entscheidend.

Die Geschichte begann an einem Frühlingsabend im Jahr 2014. Die Big-Band-Chefin Maria Schneider legte Bowie ans Herz, sich ihren Solisten Donny McCaslin anzuhören. Bowie ging in die 55 Bar im Greenwich Village. McCaslin spielte dort mit seiner Band Fast Future. Bowie setzte sich unerkannt an einen Tisch nahe der Bühne. Er sprach an diesem Abend auch mit niemandem. Nach ein paar Tagen bekam McCaslin eine E-Mail von Bowies Team, ob er und sein Schlagzeuger Mark Giuliana nicht ins Aufnahmestudio Magic Shop kommen könnten.

Nach den ersten Sessions entstand zunächst das Stück "Sue (Or in a Season of Crime)", auf dem McCaslin Bowies Gesangslinien umspielt. Der Song erinnert eher an zeitgenössische Musik als an Rock und erschien als Beigabe zu einer Sammelbox mit Bowie-Raritäten. Während seiner Arbeit an "Blackstar" lud Bowie McCaslin dann mit dem kompletten Quartett ein. Es gab Songstrukturen und Texte, aber keine strengen Vorgaben. "Habt Spaß damit", soll Bowie gesagt haben.

Donny McCaslin gehört zu einer Generation Musiker, die den Jazz an Hochschulen gelernt haben. Aufgewachsen ist er in Santa Cruz, einem Küstenstädtchen südlich von San Francisco. Er lernte als Kind Saxofon, trat als Zwölfjähriger mit der Band seines Vaters auf. Nach der Schule folgte ein Stipendium am Berklee College of Music in Boston. 1991 zog er nach New York. Dort trat er in der Gruppe Steps Ahead die Nachfolge seines Jugendidols Michael Brecker an, eines der wichtigsten Saxofonisten der Siebzigerjahre.

Seit 25 Jahren gehört Donny McCaslin nun zum Heer fantastischer Jazzmusiker, die in New York im Schatten der Stars ein leidliches Auskommen haben. Er begleitete Gary Burton und Danilo Pérez, spielte in den Big Bands von Gil Evans und Maria Schneider. Elf Alben hat er unter eigenem Namen aufgenommen. In Deutschland findet man sie selten, aber im Netz kann man sich anhören, wie er sich entwickelt hat.

Den Modern Jazz im traditionellen Sinne beherrschte McCaslin immer. In den letzten Jahren aber fand er zu einem Stil, der an die elektrischen Jahre von Miles Davis anknüpft. Sein klarer, vibratoloser Ton lässt sich da über komplexen, manchmal brachialen Rhythmen vom Meditativen zum Ausbruch tragen. Das war es auch, was Bowie so begeisterte - die Fähigkeit, aus dem Moment der Stille einen schlüssigen Weg in große Emotionen zu bahnen. Für einen Rockstar ist so viel Freiheit mutig. Ein Lebenswerk so abzuschließen, beweist wahre Größe.

© SZ vom 13.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: