Profil:Dieter Reiter

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Dieter Reiter, Münchner Oberbürgermeister, dem Flüchtlingsschicksale nahegehen. (Foto: Stephan Rumpf)

Münchner OB, dem Flüchtlingsschicksale nahegehen.

Von Dominik Hutter

Wenn Politiker in ein Spitzenamt kommen, stellt sich oft die Frage, mit welchem Thema man ihre Amtszeit einmal in Verbindung bringen wird. Bei Dieter Reiter ist dies besonders interessant - schließlich war der SPD-Mann ein politisch eher unbeschriebenes Blatt, als er vor gut einem Jahr dem bundesweit bekannten Christian Ude als Münchner OB nachfolgte. Die Gelegenheit zur Profilierung ergab sich im Oktober 2014, als der Diplom-Verwaltungswirt die Bayernkaserne im Münchner Norden besuchte und feststellte, dass Flüchtlinge in der heillos überfüllten Erstaufnahmeeinrichtung im Freien nächtigen mussten. Reiter verhängte kurzerhand einen Aufnahmestopp, überschritt dabei ganz bewusst seine Kompetenzen und düpierte so die eigentlich zuständige Staatsregierung, die ganz offenkundig mit der Situation überfordert war.

Seitdem gibt es nur wenige Themen, bei denen der Oberbürgermeister so leidenschaftlich engagiert ist wie in der Flüchtlingspolitik. Als sein CSU-Stellvertreter in der Sommerpause die Gelegenheit nutzte, im Namen der Stadt München einen spektakulären "Hilfeschrei" wegen der hohen Flüchtlingszahlen zu veröffentlichen, war Reiter so empört, dass er noch aus dem Urlaub heraus den Bündnispartner zur Ordnung rief. Er tat dies in harschen Worten - der SPD-Politiker riskiert damit eine handfeste Koalitionskrise im Münchner Rathaus. "Unsäglich" seien solche Aussagen, er warf dem politischen Partner vor, auf heiklem Terrain zu zündeln.

Reiter nimmt dabei eine Rolle ein, die bundesweit ihresgleichen sucht. Denn während überall im Land die Bürgermeister klagen, der Ansturm sei kaum noch zu bewältigen, lautet Reiters Botschaft aus München: Wir schaffen das. München hilft. Völlig problemlos ist die Lage freilich nicht in einer stark wachsenden Stadt, in der es schon jetzt ziemlich eng wird. Derzeit beschließt der Münchner Stadtrat in jeder Plenumsitzung ein Paket mit neuen Flüchtlingsunterkünften, stets mit mehreren Hundert Betten, oft zu überhöhten Preisen, viele Vermieter nutzen die Lage schamlos aus. "Am Geld darf es nicht scheitern", sagt Reiter dann, er ärgert sich aber trotzdem. Wichtig sei eine menschenwürdige Unterbringung derer, die Hilfe in München suchen.

Das ist ehrlich gemeint. Man merkt Reiter an, wie nahe ihm das Schicksal der aus ihrer Heimat geflohenen Menschen geht. Aber natürlich steckt hinter seinem Vorgehen auch politisches Kalkül. Kraftmeierei gegenüber der CSU kommt an in der eigenen Partei. Und im nach wie vor rot-grün geprägten Münchner Innenstadtmilieu sind Sprüche à la "Das Boot ist voll" kaum vermittelbar. Diese Diktion bestimmt mehr und mehr die Politik der Landes-CSU, von der sich Reiter bei diesem Thema nun umso deutlicher abgrenzen kann. Das mögen auch die Grünen, bei denen der frühere Wirtschaftsreferent seit dem Bruch der rot-grünen Koalition einiges wiedergutzumachen hat.

© SZ vom 25.08.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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