Profil:Daniil Trifonov

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Klaviergenie, Komponist und international gefeierter Jungstar. (Foto: ZUMA/Imago)

Klaviergenie, Komponist und international gefeierter Jungstar.

Von Helmut Mauró

Er ist das herausragende Klaviergenie dieser Zeit und wird beim Silvesterkonzert mit den Berliner Philharmonikern unter Leitung von Simon Rattle das dritte Klavierkonzert von Sergej Rachmaninow spielen. Daniil Trifonov wurde 1991 in der russischen Millionenstadt Nischni Nowgorod geboren. Der Weg zur Weltspitze führte über Moskau, wo er wie viele große Pianisten an der Russischen Geschwister-Gnessin-Musikakademie studierte und wo er schließlich den renommierten internationalen Tschaikowsky-Wettbewerb gewann. Das war im Juni 2011, da war er 20 Jahre alt. Vier Wochen davor hatte er noch in Tel Aviv den Rubinstein-Wettbewerb gewonnen. Die große Martha Argerich zählte zu seinen frühen Bewunderern.

Unter den erstaunlich raren CD-Veröffentlichungen ist die jüngste schon jetzt ein Meilenstein der Schallplattengeschichte. Es handelt sich um die musikalisch diffizilen und technisch außerordentlich anspruchsvollen "Études d'éxécution transcendante" von Franz Liszt, deren Titel schon ein bisschen unbegreiflich ist, deren technische Anforderungen und musikalisches Verständnis dem Normalsterblichen aber noch ferner liegen. Schon früher hat man Trifonov in die unmittelbare Nachfolge Liszts gestellt, und mit diesem Album, das noch fünf Konzertetüden und die "Grandes études de Paganini" enthält, hat er diesen Eindruck sehr stark bestätigt.

Anders als dies bei Liszt der Fall war, deutet bei Trifonov aber bis jetzt nichts darauf hin, dass er sich in ein Kloster zurückziehen werde. Er ist ein freundlicher, interessierter Zeitgenosse geblieben, der sehr präzise erklären kann, was er da auf dem Flügel so treibt, warum er lieber dieses Instrument benutzt als jenes, warum Rachmaninow hier so komponiert hat und nicht anders. Er kann das auch, noch genauer, in Tönen und Klängen sagen, wie zum Beispiel in seiner Rachmaniana-Suite, einer komponierten Antwort auf die Frage, was ihn an diesem Komponisten so fasziniert.

Das wurde ihm erst richtig klar, als er mit 18 Jahren nach Cleveland übersiedelte, wo sein Lehrer Sergei Babayan am dortigen Institute of Music eine Klavierakademie gegründet hatte. Dort packte ihn das Heimweh, und er fand in Rachmaninow einen Bruder im Geiste, was die grundsätzliche Musikauffassung betraf. Die ist zwar stark in der Romantik verwurzelt, bleibt darin aber nicht stecken.

Trifonovs Leidenschaft für die Moderne zeigt seine Neugierde an allen möglichen Stilen und Epochen, seine Herangehensweise an die Musik ist gleichermaßen individuell wie einleuchtend objektiv. Denn eines ist sein Interesse niemals: oberflächlich. Wenn er sich für ein Stück interessiert, dann für jede einzelne Note, für jeden zeitgenössischen und historischen Zusammenhang. Seine Ästhetik scheint oft mehr Wissenschaft zu sein als Gefühl. Aber wenn man ihn spielen hört, weiß man, es ist immer beides. Es ist ein vernünftiges Gefühl, das seine Kunst ermöglicht und zusammenhält.

© SZ vom 27.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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