Profil:Christian Hirte

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(Foto: N/A)

Ost-Beauftragter mit Kindheit an der innerdeutschen Zonengrenze.

Von Henrike Roßbach

Vor knapp drei Wochen hatte Christian Hirte zu einem ersten Pressegespräch als neuer CDU-Fraktionsvize eingeladen. Wie er es finde, dass die Union keinen Ostdeutschen ins Kabinett berufen habe, wurde der aus Thüringen stammende Hirte da gefragt. Immerhin stehe dem Kabinett ja eine Ostdeutsche vor, wich Hirte, 41, routiniert aus. Wichtiger sei zudem eine Politik, die den neuen Ländern zugutekomme. Und außerdem seien da ja auch noch die Staatssekretäre.

Seit vergangener Woche ist er einer von ihnen: parlamentarischer Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium und künftiger Beauftragter der Bundesregierung für die neuen Bundesländer. Das klingt vornehm, begründet aber nicht zwangsläufig eine machtvolle Position. Ob ein Ostbeauftragter nur Trostpflaster für seine Landsleute ist oder ihr einflussreicher Vertreter in Berlin, hängt am Format desjenigen, der den Titel trägt. Hirte hat zumindest schon ziemlich konkrete Vorstellungen, was er mit seinem Amt anfangen will. "Drei Dinge", sagt er. "Erstens: Ich will Lobbyist und Stimme der Ostdeutschen sein. Zweitens: Ich will die ökonomischen Umstände im Osten verbessern. Und drittens: Ich will dazu beitragen, dass die Ostdeutschen mit mehr Selbstbewusstsein nach vorne schauen."

Hirte ist im thüringischen Bad Salzungen geboren. Seine Großeltern hatten einen Bauernhof, 50 Meter vom Grenzzaun zur Bundesrepublik entfernt. "Das war für uns das Ende der Welt", sagt Hirte. Diese Kindheit in Sichtweite des Grenzstreifens hat Hirte geprägt. Er war 13 Jahre alt, als die Mauer fiel, und kann sich erinnern an die Demonstrationen in seiner Heimatstadt, an die Sommerferien 1989 bei den Großeltern und die allabendlichen Bilder im West-Fernsehen von DDR-Flüchtlingen in der Prager Botschaft und in Ungarn. Vier Jahre später trat Hirte in die Junge Union ein, weitere zwei Jahre später in die CDU. 2008 kam er als Nachrücker in den Bundestag; bei der Bundestagswahl ein Jahr später gewann er das Direktmandat im Wahlkreis Eisenach, das er seitdem verteidigt hat.

Hirte ist Jurist, Spezialgebiet Steuerrecht. Viele Mittelständler hat er als Anwalt beraten, auch sein Blick auf die Politik ist durchaus ein wirtschaftlicher. Klar benennt er, der mit seiner Familie in einem kleinen Dorf bei Bad Salzungen lebt, die strukturellen Probleme des Ostens: keine Metropolen, viele Kleinstädte und Dörfer, keine internationalen Konzerne. Die ostdeutsche Herausforderung ist für Hirte deshalb das, was in der Politik gerne mit "der ländliche Raum" umschrieben wird. Den allerdings gedenkt auch Heimatminister Horst Seehofer (CSU) zu besetzen. Dass sie sich in die Quere kommen werden, glaubt Hirte aber nicht. Ohnehin setzt er auf Kooperation, auch mit den ostdeutschen Ministerpräsidenten.

Hirte ist gläubiger Katholik, verheiratet und Vater von drei Kindern. Zu DDR-Zeiten war er in der Schule noch vor versammelter Klasse zu seinem Glauben befragt worden. Das "C" in "CDU" hat Bedeutung für ihn. "Ich bin christlich geprägt", auch das habe ihn in die Politik geführt. Hinzu kommt: Auch wenn seine Mutter nach der Wende als Krankenschwester weiterarbeiten konnte und sein Vater, ein Bauingenieur, sich am Tag der D-Mark-Einführung selbständig machte - Hirte hat in seinem Umfeld dennoch erlebt, wie die DDR-Wirtschaft zusammenbrach und viele ihre Arbeit verloren.

Wegen dieser Erfahrung seien viele Ostdeutsche ablehnender gegenüber Umbrüchen wie der Flüchtlingskrise, sagt Hirte. "Außerdem waren Ausländer in der DDR etwas Theoretisches aus dem Fernsehen." Die Ostdeutschen hätten größere Skepsis gegenüber dem Staat, gleichzeitig aber eine größere Erwartungshaltung. Wegen all dieser Dinge sei ein Ostbeauftragter noch notwendig. Seine Kinder aber, zehn, acht und drei Jahre alt, sähen schon heute keine Unterschiede mehr zwischen Ost- und Westdeutschen.

© SZ vom 19.03.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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