Profil:Andy Murray

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Die Tennislegende ist noch nicht bereit für Wimbledon - sehr zum Leid der Briten.

Von Cathrin Kahlweit

Der Schweizer Roger Federer hatte am ersten Tag des Tennisturniers von Wimbledon seinen großen Auftritt auf dem Centre Court, und alle britischen Medien berichten natürlich ausführlich darüber. Dabei hätten sie doch viel lieber, und noch ausführlicher, über die Rückkehr ihres landeseigenen Heroen geschrieben, über den zweimaligen Wimbledon-Sieger Andy Murray: 41 Wochen lang Nummer eins der Weltrangliste, zwei Goldmedaillen bei den Olympischen Spielen, mehrmals Sportler des Jahres, 2017 zum Knight Bachelor geadelt. Eine lebende Legende.

Im Januar jedoch hatte sich Sir Andrew einer Hüft-Operation unterziehen müssen, und die Bulletins vom Krankenbett, aus der Rehabilitation und schließlich von seiner Genesung waren anfangs ein Quell der Sorge, später dann der Freude für die vielen Fans im Königreich gewesen. Murrays Teilnahme in Wimbledon war dementsprechend emphatisch herbeigesehnt und zuletzt quasi täglich herbeigeschrieben worden. Der Sportler ist in Schottland geboren, von den Engländern jedoch längst vereinnahmt worden. Ein Erfolg bei der Fußball-WM in Russland und dazu noch eine Rückkehr des Briten auf die vorderen Plätze der Weltrangliste im Tennis - das wäre der Traum aller sportbegeisterten Briten für diesen heißen Sommer gewesen.

Es sollte nicht sein. Kurz bevor sich im Süden von London die Tore für das wohl berühmteste Tennis-Turnier der Welt öffneten, musste Murray absagen. Wieder einmal - er hatte vor seiner Operation bereits eine ganze Reihe von Turnieren in letzter Minute absagen müssen. Der 31-Jährige argumentierte jetzt, es sei einfach noch zu früh nach der langen Pause, um sich wieder in eine stressige Abfolge von Fünf-Satz-Matches zu werfen. Er habe sich bis zur letzten Minute mit seinen Coaches und Ärzten beraten und spüre einfach, dass er noch nicht wieder bereit sei für ein so kräftezehrendes Turnier; er wolle sich noch länger schonen. "Schließlich will ich", so Murray, "noch ein paar Jahre Tennis spielen." Dafür müsse er besser auf seinen Körper aufpassen, mehr Pausen machen, und nicht jede Woche spielen, kämpfen, gewinnen.

Die Entscheidung kam überraschend, zum einen weil Murray vor Kurzem bei einem Turnier im Londoner Stadtteil Queens sein Comeback gefeiert hatte; zum anderen weil der Schotte als ausnehmend ehrgeizig und fordernd gilt - sich selbst und anderen gegenüber. Seine Autobiografie trägt den sprechenden Titel "Hitting back", Zurückschlagen.

Gemeinsam mit seinem Bruder Jamie, ebenfalls ein sehr erfolgreicher Tennisspieler und Wimbledon-Teilnehmer, war er lange von seiner Mutter Judy betreut worden. Andy begann schon mit drei Jahren, Tennis zu spielen, war aber auch ein hervorragender Fußballer. Als Teenager trainierte er unter anderem mit Rafael Nadal in Spanien. Beide Söhne galten zeitweilig als Opfer einer überehrgeizigen Mutter, was diese bestreitet. In ihrer Autobiografie beklagt sie sich vielmehr über Machismus und Snobismus, die ihr begegnet seien, während sie als Alleinerziehende versucht habe, zwei hochbegabte Jungs im Tennis-Zirkus zu fördern - und zu beschützen. Andy Murrays Verhältnis zu seiner Mutter ist bis heute sehr eng.

Er selbst wiederum galt lange als humorlos und steif; der Guardian schrieb einmal, Andy Murray lache nie. Dieser führt das auf die harte Schule der frühen Jahre und das extrem kompetitive Umfeld zurück. Umso erstaunlicher ist jetzt der Wandel zu einem Sportler, der mittlerweile zwei kleine Töchter hat und davon spricht, dass es nicht nur ums Siegen, sondern auch um ein gutes Leben gehe. Während Murrays Pressekonferenz, in der er seine Wimbledon-Absage begründete, war vor der Tür der Jubel von Fußball-Fans beim Spiel Argentinien gegen Frankreich zu hören. "Ich kann nicht glauben, dass ich das verpasse", sagte Andy Murray lachend. "Sollen wir nicht alle rausgehen?"

© SZ vom 03.07.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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