Profil:Aminata Traoré

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Wortmächtige Kritikerin der Globalisierung mit einem Visumsproblem.

Von Tobias Zick

Was sie von Staatsgrenzen hält, hat Aminata Traoré in einem Beitrag zum Thema Migration sehr grundsätzlich formuliert: "Tausende Kilometer lange Hindernisse wurden errichtet, welche die Völker voneinander trennen und gegeneinander aufbringen." Jetzt ist sie selbst an einem solchen Hindernis gescheitert, der Grenze Kanadas nämlich.

Die aus dem westafrikanischen Mali stammende Globalisierungskritikerin wollte eigentlich diese Woche auf dem Weltsozialforum in Montréal auftreten - hätte sie denn rechtzeitig ein Visum bekommen. Doch nachdem sie ihren Antrag dreimal von der kanadischen Botschaft zurückbekam, hat sie entnervt aufgegeben, nicht zuletzt, wie sie sagt, aus "Solidarität" mit den rund 200 weiteren Teilnehmern, die ebenfalls vergeblich warteten.

Es ist das zwölfte Gipfeltreffen der Globalisierungskritiker, das erstmals 2001 im brasilianischen Porto Alegre stattfand, damals mit mehr als 200 000 Teilnehmern. Diesmal werden es höchstens 50 000 sein, die bis Sonntag über "konkrete Alternativen zum neoliberalen Wirtschaftsmodell" beraten - was neben den Visum-Schwierigkeiten wohl auch an den Kosten für die Anreise liegt: Erstmalig findet die Veranstaltung, die als Gegengewicht zu den etablierten Welthandelskonferenzen vor allem dem "globalen Süden" eine Stimme verleihen will, in einem Industrieland auf der Nordhalbkugel statt. Was von den Veranstaltern als Brückenschlag gedacht war, stellt weite Teile des Publikums vor Schwierigkeiten.

Aminata Traoré hätte, wäre sie denn gekommen, in Montréal sicher viel Beifall bekommen. Die ehemalige Kultur- und Tourismusministerin von Mali, die sich kürzlich auch als Kandidatin für die Nachfolge von UN-Generalsekretär Ban Ki-Moon ins Rennen gebracht hat, kann eloquent gegen die "kriegerischen Werte des globalisierten Finanzkapitalismus" wettern, denen man "pazifistische und humanistische Werte entgegenhalten" müsse. Sie hat Bücher verfasst, die schon im Titel von einem "erniedrigten" und "verstümmelten" Afrika handeln.

Manche Beobachter, durchaus auch solche aus imperialismuskritischen Kreisen, finden ihre Argumente mitunter arg vereinfachend, etwa wenn sie den Anführer eines Putsches in Schutz nimmt, der 2012 unfreiwillig, aber effektiv den späteren dschihadistischen Besatzern von Nordmali das Tor aufstieß. Auch den simbabwischen Machthaber Robert Mugabe spricht sie von Verantwortung für den wirtschaftlichen Niedergang seines Landes frei.

Zu den jetzigen Visumproblemen erklärte die kanadische Einwanderungsbehörde dem staatlichen Rundfunk CBC, viele der Einreiseanträge für das Weltsozialforum seien schlicht nicht präzise genug ausgefüllt gewesen. Aminata Traoré lässt es sich freilich nicht nehmen, dahinter andere Gründe zu wittern: "Der Westen" habe offenbar zunehmend "Angst" vor politischen Grundsatzdebatten.

© SZ vom 11.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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