Präsidentschaftswahlen in Ägypten:Unruhe vor dem Sturm

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Angespannt erwartet Ägypten das Ergebnis der Präsidentschaftswahlen, das in wenigen Stunden verkündet werden soll. Kaum jemand glaubt an einen fairen Ausgang und so mobilisieren der Islamist Mursi und der ehemalige Mubarak-Gefolgsmann Schafik ihre Anhänger. Polizei und Armee rüsten sich für Gewalt, die so oder so kommen kann.

Unruhen werden erwartet; noch mehr Unruhen, als ohnehin schon herrschen im angespannten Ägypten. Polizei und Armee sind in erhöhte Bereitschaft versetzt worden, Soldaten und Panzerfahrzeuge haben sich vor staatlichen Gebäuden und an wichtigen Auffahrten zur Autobahn postiert: In wenigen Stunden wird die Verkündung des Ergebnisses der ägyptischen Präsidentschaftswahlen erwartet.

Seit der Massenroteste gegen Mubarak in Kairo (Bild vom Februar 2011) ist mehr als ein Jahr vergangen, doch auf dem Tahrir-Platz ist keine Ruhe eingekehrt. Tausende Anhänger Muris erwarten hier die Verkündung der Wahlergebnisse. (Foto: dpa)

Dann wird es Klarheit darüber geben, wer die Stichwahl um das höchste Staatsamt gewonnen hat und die Nachfolge des im Vorjahr entmachteten Dauerpräsidenten Hosni Mubarak antritt: der Kandidat der konservativ-religiösen Muslimbruderschaft, Mohammed Mursi, oder der formell unabhängige Favorit der herrschenden Militärs, Ex-Ministerpräsident Ahmed Schafik. Beide Politiker hatten sich zum Sieger erklärt.

Tagelange Demonstrationen auf dem Tahrir-Platz

Ursprünglich hätte das Wahlergebnis bereits am Donnerstag erfolgen sollen, doch die Kommission verschob den Termin, um die zahlreichen Beschwerden wegen Wahlbetrugs zu prüfen. Die Stichwahl zwischem dem Islamisten Mursi und dem ehemaligen Regime-Politiker Schafik hat die ägyptische Gesellschaft stark polarisiert: Tausende Anhänger Mursis besetzen seit Freitag den Tahrir-Platz im Zentrum von Kairo und demonstrieren gegen den Militärrat, von dem sie die Rückkehr zu einer zivilen Regierung verlangen. In der Vorstadt Nasr City feierten am Samstagabend hingegen Hunderte Anhänger Schafiks den "Sieg" ihres Mannes. Gerüchte über auf beiden Seiten laufende Vorbereitungen von Gewaltakten verstärkten die angespannte Atmosphäre.

Teilergebnisse aus den einzelnen Provinzen deuten darauf hin, dass Mursi die Wahl gewonnen hat. Sollte er Präsident werden, sind allerdings seine Vollmachten durch jüngste Erlässe des regierenden Obersten Militärrats drastisch eingeschränkt. Laut eines Berichts des Internet-Portals ahramonline laufen bereits intensive Hintergrund-Verhandlungen zwischen dem Militärrat und der Muslimbruderschaft. Angeblich soll ein "politischer Deal" ausgehandelt werden: Die Erlässe des Militärrats sollen zumindest teilweise rückgängig gemacht werden, woraufhin die Islamisten davon abrücken würden, Druck auf der Straße auszuüben.

"Wiederherstellung von Demokratie" in einem unruhigen Land

Die Muslimbruderschaft und mehrere säkulare Gruppen, die mit ihren Massenprotesten Mubarak im Februar des Jahres 2011 zum Rücktritt gezwungen hatten, kündigten ein Bündnis zur "Wiederherstellung von Legitimität und Demokratie" an.

Viele Ägypter haben sich hinter Mursi geschart, weil sie in ihm den Mann sehen, der das Land endgültig vom alten System des gestürzten Machthabers Mubarak befreien könne. Die Anhänger Schafiks jedoch betrachten seine mögliche Wahl als bestes Mittel, um Islamisten entgegenzutreten und die Ordnung im Land nach einem Jahr mit Protesten, Wirtschaftskrise und Angst vor steigender Kriminalität wieder herzustellen.

Laut einem Bericht der unabhängigen Nachrichtenwebseite al-Jum al-Sabaa wurde die Präsenz von Sicherheitskräften in der Nähe des Hauptquartiers der Wahlkommission am Wochenende verstärkt. Die Behörden hätten Truppen und Sprengstoffexperten entsandt, hieß es. Die Generäle kündigten ein hartes Vorgehen gegen jegliche Gruppen an, die aus Unzufriedenheit mit dem Wahlergebnis zu Gewalt greifen wollten.

© Süddeutsche.de/dpa/dapd/soli - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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