Präsidentenwahl in der Ukraine:Janukowitsch gewinnt

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Machtwechsel in der Ukraine: Hochrechnungen zufolge hat sich der bisherige Oppositionsführer Janukowitsch gegen Julia Timoschenko durchgesetzt. Timoschenkos Lager wittert Wahlfälschung.

T. Urban, Kiew

Der bisherige Oppositionsführer Viktor Janukowitsch hat die ukrainische Präsidentenwahl am Sonntag knapp gewonnen. In der Stichwahl um das höchste Staatsamt schlug er den Hochrechnungen und Wahlnachbefragungen zufolge Premierministerin Julia Timoschenko um drei Punkte. Auf ihn entfielen demnach rund 49 Prozent der Stimmen, auf seine Rivalin knapp 46. Die restlichen Stimmzettel waren ungültig, oder es war die Rubrik "keiner der Kandidaten" angekreuzt worden, die das ukrainische Wahlrecht vorsieht.

Der bisherige Oppositionsführer Viktor Janukowitsch wird neuer ukrainischer Präsident. (Foto: Foto: dpa)

Janukowitsch kündigte an, nun werde in der Geschichte der Ukraine "eine neue Seite aufgeschlagen". Er sagte: "Lasst uns all die Feindschaften vergessen und ab heute gemeinsam die Sachen anpacken."

Somit hat Janukowitsch sein Ziel doch noch erreicht. Die Fälschung der Präsidentenwahl 2004 zu seinen Gunsten hatte damals die "orangene Revolution" ausgelöst. In der vom Obersten Gericht angeordneten Wahlwiederholung, der Massenproteste im ganzen Land vorausgegangen waren, siegte der damalige prowestliche Oppositionsführer, Viktor Juschtschenko, auf den wenige Wochen zuvor ein Giftanschlag verübt worden war. Juschtschenko schied nun aber schon in der ersten Wahlrunde aus.

Im Video: Nach Auszählung von rund 80 Prozent der Stimmen hat Oppositionsführer Janukowitsch offenbar die Stichwahl um das Präsidentenamt in der Ukraine gewonnen.

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Der Chef des Wahlstabs Timoschenkos, Olexander Turtschenko, erklärte nach Bekanntgabe der ersten Zahlen, dass es noch zu früh sei, von Sieg oder Niederlage zu sprechen. Es lägen zahlreiche Berichte über Wahlfälschung vor allem aus der Ostukraine vor. In mindestens tausend Wahllokalen sei es zu Unregelmäßigkeiten gekommen. In den Bezirken Lugansk und Donezk seien die Beobachter des Blocks Julia Timoschenko (BjuT), der Regierungspartei, von Anhängern Janukowitschs ausgeschlossen worden.

In den russischsprachigen Industriegebieten werden die Kommunal- und Regionalbehörden von Parteigängern Janukowitschs beherrscht, in diesen Gebieten waren vor fünf Jahren großangelegte Fälschungen zu seinen Gunsten nachgewiesen worden. Die Regierungschefin hat in den Tagen vor der Wahl der von Janukowitsch geführten und von ostukrainischen Industriemagnaten finanzierten Partei der Regionen vorgeworfen, die Manipulation des Wahlergebnisses vorbereitet zu haben.

Janukowitsch hat gegen ihren Protest eine Novelle des Wahlgesetzes unterzeichnet, nach der bei der Auszählung der Stimmen eine Mindestanzahl von Vertretern beider Kandidaten nicht mehr erforderlich ist. Nach Einschätzung der deutschen Wahlbeobachterin und Grünen-Europaparlamentarierin Rebecca Harms ist die Wahl allerdings demokratisch verlaufen. Die Arbeit in den Wahllokalen sei vorbildlich gewesen, teilte sie in Kiew mit.

Julia Timoschenko ist es nicht gelungen, namentlich in der bevölkerungsstarken Ostukraine, ihre Anhängerschaft zu vergrößern. Sie hatte öffentlich mehrere Kandidaten aus dem ersten Wahlgang umworben, doch keiner gab eine Empfehlung zu ihren Gunsten ab. Juschtschenko, während der "orangenen Revolution" ihr Verbündeter, erklärte nach Abgabe seiner Stimme am Sonntag, er habe die Rubrik "keiner der Kandidaten" angekreuzt, weil er beide für ungeeignet halte.

Allerdings berichteten Zeitungen, dass die Partei der Regionen sowie die von Juschtschenko gegründete konservative und proeuropäische Partei "Unsere Ukraine" sich auf eine neue Koalition im Parlament geeinigt hätten, die die Ablösung Timoschenkos als Regierungschefin betreiben wolle. Am Sonntagabend forderte Janukowitsch dann auch Timoschenko zum Rücktritt auf. Er lud die im ersten Wahlgang der Präsidentenwahl Mitte Januar angetretenen Kandidaten Sergej Tigipko und Arseni Jazenjuk in seine neue Führungsmannschaft ein.

Die ukrainische Hauptstadt befindet sich seit Tagen in der Hand von Janukowitsch-Anhängern aus der Ostukraine. Sie haben Zeltlager an zentralen Punkten in der Stadt aufgeschlagen. Auf diese Weise soll verhindert werden, dass die Hauptstadt von Janukowitsch-Gegnern kontrolliert wird, wie es bei der "orangenen Revolution" der Fall war.

© SZ vom 08.02.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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