Präsidentenpaar in Guatemala:Bis die Verfassung euch scheidet

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Staatskarriere statt Ehe: Guatemalas Präsidentengattin lässt sich scheiden, um "sich mit dem Volk zu verheiraten" - und selbst Präsidentin zu werden. Jetzt ist ihr auch Guatemalas Verfassung nicht mehr im Weg.

Peter Burghardt

Die Coloms aus Guatemala waren ein glückliches Präsidentenpaar, sie sind es genau genommen noch immer. Auch nach ihrem Scheidungsantrag Mitte März gaben beide bekannt, sie seien nach wie vor ineinander verliebt.

Sie will Präsidentin werden - und lässt sich deshalb scheiden: Guatemalas First Lady Sandra Torres. (Foto: AFP)

Im Jahr 2003 hatte der Politiker Álvaro Colom, eine Art Sozialdemokrat, in zweiter Ehe die Kommunikationswissenschaftlerin Sandra Torres geheiratet. 2008 wurde er Staatschef und sie Präsidentengattin. Señora Torres de Colom übernahm die Sozialprogramme und kümmert sich um bedrohte Frauen. Seit Freitag ist das Duo Colom nun offiziell getrennt. "In den Augen des Gesetzes sind sie geschieden", gab die zuständige Richterin Mildred Roca bekannt. Denn Sandra Torres, die jetzt nicht mehr Sandra Torres de Colom heißt, hat beschlossen, "sich mit dem Volk zu verheiraten". Und Präsidentin zu werden.

Bisher war sie an der Seite ihres Gatten eine Art Evita Perón gewesen, die mythische Gefährtin von Argentiniens einstigem Caudillo Juan Domingo Perón. Frauen üben gerade auf Staatsmänner weltweit einigen Einfluss aus, doch in Lateinamerika geht es zuweilen noch weiter. Die Guatemaltekin Torres will selbst Staatschefin werden - wie Peróns nächste Frau Isabel oder Argentiniens derzeitige Presidenta Cristina Fernández de Kirchner, Witwe und Nachfolgerin von Néstor Kirchner.

Vor fünf Wochen gab Frau Torres ihre Kandidatur für die Wahlen im September bekannt. Nur war ihr Guatemalas Verfassung im Weg: Die verbietet, dass enge Verwandte einander im höchsten Amt ablösen. Da half nur die Scheidung. "Eine echte Tat für unser Land", erläuterte Ex-Gemahl Colom, "also für etwas Höheres als unsere Ehe."

So ist die Mutter seiner vier Stiefkinder nun also wieder Junggesellin und darf sich um sein politisches Erbe bewerben. "Betrug", wettert Oppositionsführer Otto Pérez. Der ehemalige General und Geheimdienstler hatte 2007 gegen Álvaro Colom verloren und will diesmal unbedingt gewinnen.

Todesschwadronen, Jugendbanden und Drogenkartelle

Vor allem rechte Politiker und die katholische Kirche wettern gegen den Scheidungstrick des Regierungstandems. Ärmere und indigene Landsleute dagegen unterstützen die Coloms. Die Richterin Roca wurde mit dem Tode bedroht. Guatemalas Rechtssystem ist ohnehin nicht sehr vorbildlich. Selbst der frühere Putschist Efrain Ríos Montt durfte 2003 antreten, trotz der Massaker während seines Regimes. Mehr als 200.000 Menschen wurden während des Bürgerkriegs niedergemetzelt, vornehmlich Ureinwohner.

Inzwischen ist Guatemala ein Hort von Todesschwadronen, Jugendbanden und Drogenkartellen. 60 Prozent der Republik werde von der Rauschgiftmafia beherrscht, glaubt der spanische Ermittler Carlos Castresana. 6500 Morde wurden 2010 registriert, 98 Prozent davon sind ungeklärt. 2009 wurde der Anwalt Rodrigo Rosenberg erschossen, vorher hatte er den Präsidenten Colom in einem gespenstischen Video für seinen möglichen Tod verantwortlich gemacht. Rosenberg warf dem Präsidentenpaar Geldwäsche vor, ein Gericht sprach Álvaro Colom von den Vorwürfen allerdings frei.

Jetzt zieht der Präsident aus der gemeinsamen Residenz in Guatemala-Stadt aus und wohnt künftig im Präsidentenpalast, während Sandra Torres ihren Wahlkampf startet. Man hat sich schließlich getrennt. "Alle Guatemalteken können frei entscheiden, ob sie heiraten oder nicht", sagt Colom, "auch der Präsident." Spätere Wiederheirat nicht ausgeschlossen.

© SZ vom 11.04.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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