Politicker:Ehemaliger türkischer Staatschef Evren soll vor Gericht

Historischer Prozess gegen türkische Putschisten von 1980 hat begonnen.

Mehr als 30 Jahre nach dem letzten Militärputsch in der Türkei beginnt am Mittwoch in Ankara der Prozess gegen die noch lebenden Mitglieder der damaligen Junta.

Angeklagt sind der heute 94-jährige Putschführer von 1980 und spätere türkische Staatspräsident Kenan Evren sowie der 87-jährige Ex-Luftwaffenchef Tahsin Sahinkaya. Ihnen wird der Umsturz der verfassungsmäßigen Ordnung vorgeworfen. Kabinett und Parlament, die damals von Evren aufgelöst wurden, wollen vor Gericht als Nebenkläger auftreten, ebenso mehrere hundert Putschopfer und Verbände.

Der Staatsstreich vom 12. September 1980 beendete bürgerkriegsähnliche Auseinandersetzungen in der Türkei. Die Repression durch die Generäle erreichte dann aber ein solches Ausmaß, dass die Folgen noch heute spürbar sind. Nach Angaben von Putschopfern wurden damals etwa 650.000 Menschen verhaftet, mehrere hunderttausend kamen vor Gericht, mehrere hundert Menschen starben durch Hinrichtungen oder Folter. Zehntausende wurden ausgebürgert.

Die Militärs gaben die Macht 1982 zwar wieder ab, hinterließen aber eine noch heute gültige Verfassung, die ihnen großen politischen Einfluss sicherte und viele Bürgerrechte einschränkte. Evren selbst ließ sich zum Staatspräsidenten wählen. Die Strafverfolgung der Putschisten wurde erst durch die Abschaffung einer Immunitätsregelung im Jahr 2010 möglich. Nun droht den Angeklagten lebenslange Haft. Der Prozess gegen Evren und Sahinkaya gilt deshalb als historisches Verfahren.

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