Polen:Bischöfe wettern gegen Gesetz zum Schutz von Frauen

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Präsident Bronisław Komorowski bei der Unterzeichnung der Konvention. Die katholische Kirche droht in der Diskussion Politikern auch mit Ausschluss. (Foto: AFP)
  • Polens Präsident Bronisław Komorowski hat die Europarats-Konvention zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen in Kraft gesetzt.
  • Das führt zu großen Kontroversen mit der katholischen Kirche. Die sieht die Gründe für Gewalt gegen Frauen nicht in deren Ungleichbehandlung, sondern im Alkohol- und Pornokonsum von Männern.
  • Die Bischöfe sehe die traditionellen Rollen durch die Konvention in Gefahr und bezeichnen das Papier als "extreme, neomarxistische Gender-Ideologie".

Von Nadia Pantel, München

Die Frage, ob man Frauen schlagen sollte oder lieber nicht, taugt eigentlich nur schwer zu großen gesellschaftlichen Debatten. Eine Polit-Talkshow, in der ein Experte zu Wort kommt, der regelmäßige Ohrfeigen als Grundstruktur der Ehe empfiehlt, ist schwer vorstellbar. Über die Frage jedoch, was die Ursache dafür ist, dass Frauen deutlich häufiger Opfer von häuslicher Gewalt werden als Männer, lässt sich offenbar sehr wohl streiten.

Polens Präsident Bronisław Komorowski hat am Montag die Europarats-Konvention zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen in Kraft gesetzt. Die Konvention verpflichtet Staaten zu umfassenden Unterstützungsangeboten für Frauen. Und die katholische Bischofskonferenz und die rechtskonservative Opposition versetzt sie in Rage. Das Papier sei "extreme, neomarxistische Gender-Ideologie", so Polens Bischöfe. Es entwerte die traditionelle Familie.

Und Andrzej Duda von der Partei Recht und Gerechtigkeit nannte die Ratifizierung der Konvention "eine sehr schlechte Entscheidung". Duda tritt bei der kommenden Präsidentschaftswahl am 10. Mai gegen Komorowski an. Jüngste Umfragen sehen Komorowski bei 46 Prozent, Duda bei 24. Der Streit über Gewalt gegen Frauen ist Wahlkampfmaterial.

Duda tritt dabei als Kreuzritter für die Rettung traditioneller Werte auf. Natürlich sei Gewalt gegen Frauen zu verurteilen, doch geschlagen werde, weil Männer sich betrinken und Pornos schauen. Die Europarats-Konvention hingegen wolle "vage Konzepte" ins Rechtssystem einführen, die nicht zu Polens Normen passen.

Diese "vagen Konzepte" lesen sich so: "Die Verwirklichung der rechtlichen und der tatsächlichen Gleichstellung von Frauen und Männern ist ein wesentliches Element der Verhütung von Gewalt gegen Frauen." In der Konvention des Europarats sind nicht Alkohol und Pornos schuld daran, dass jede dritte Frau in der Europäischen Union in Statistiken angibt, Opfer von Gewalt geworden zu sein, sondern die Tatsache, dass es "historisch gewachsene ungleiche Machtverhältnisse zwischen Frauen und Männern gibt". Dagegen müsse angearbeitet werden, indem "Rollenzuweisungen" aufgehoben würden.

Kirche droht Politikern mit Exkommunizierung

Es ist vor allen Dingen diese letzte Forderung, die die polnischen Bischöfe den Verfall von Sitten und Moral feststellen lässt. Woran könnten sich Mütter und Väter noch orientieren, wenn die "links-laizistische Propaganda" traditionelle Rollen für ungültig erkläre?

Komorowski verteidigte seine Entscheidung bei einer Diskussion in einem Warschauer Zentrum für Frauenrechte: "Man muss sich prinzipiell auf die Seite der Opfer, auf die Seite der Schwächeren stellen." Indem die Opposition sich nun auf den Kampf gegen die von ihr gehasste "Gender-Sprache" konzentriere, übersehe sie, dass Familiendramen ein Gewalt- und kein "Sprachproblem" seien.

Die katholische Kirche verliert in Polen stetig an Mitgliedern, jedoch nicht an Willen, sich politisch lautstark zu Wort zu melden. Anfang April veröffentlichte sie einen Appell, der die Legalisierung künstlicher Befruchtungen verhindern sollte. Politikern, die für ein von Premierministerin Ewa Kopacz dazu geplantes Gesetz stimmen, könne der Ausschluss aus der Kirche drohen. Für viele gläubige und liberale Politiker eine bittere Verletzung.

Polen ist nun das 17. von 47 Mitgliedsländern des Europarats, das die Konvention zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen ratifiziert hat. Deutschland hat das Papier 2011 unterzeichnet, allerdings noch nicht ratifiziert.

© SZ vom 15.04.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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