Patientenverfügung:Die Kunst des Sterbens

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Der Bundesgerichtshof hat die Anforderungen an eine Patientenverfügung konkretisiert. Die Formulierung, dass "lebensverlängernde Maßnahmen unterbleiben" sollen, genüge für sich genommen nicht.

Von Heribert Prantl, München

Viele Menschen haben Angst davor, dass der Sterbeprozess zum Dahinvegetieren wird; sie haben Angst davor, in ihrer letzten Lebensphase lebensverlängernd traktiert zu werden und hilflos an Schläuchen und Pumpen zu hängen. Daher legen immer mehr Menschen in einer Patientenverfügung fest, wie und wie lange sie im Fall des Falles behandelt werden wollen, in welche Behandlung und in welche ärztliche Eingriffe sie einwilligen und in welche nicht. Der Bundesgerichtshof hat in mehreren Grundsatzurteilen das Selbstbestimmungsrecht der Patienten gestärkt, der Gesetzgeber hat die Regeln für Patientenverfügungen als Paragraf 1909 a ins Bürgerliche Gesetzbuch geschrieben.

Es wäre gut, wenn damit die Unklarheiten so gut es nur geht, beseitigt wären; sie sind es aber nicht. Soeben hat der BGH in einem Beschluss dazu aufgefordert, die Patientenverfügungen, in denen der Abbruch lebenserhaltender Maßnahmen verlangt wird, so klar und so konkret wie möglich zu fassen. Die Formulierung, dass "lebensverlängernde Maßnahmen unterbleiben" sollen sei für sich genommen "keine hinreichend konkrete Behandlungsentscheidung". Die Konkretisierung könne "durch die Benennung bestimmter ärztlicher Maßnahmen oder die Bezugnahme auf ausreichend spezifizierte Krankheiten oder Behandlungssituationen" erfolgen.

Zwei Töchter wollen die künstliche Ernährung abbrechen lassen, die dritte Tochter sieht das anders

Im Fall, der zu entscheiden war, ging es um eine 75-jährige Frau, die Ende 2011 einen Hirnschlag erlitten hatte. Noch im Krankenhaus wurde ihr eine Magensonde gelegt, über die sie seitdem ernährt wird und Medikamente verabreicht bekommt. Im Januar 2012 wurde sie ins Pflegeheim aufgenommen. Bis zum Februar 2013 konnte man noch mit ihr reden. Die Fähigkeit zu verbaler Kommunikation verlor sie dann bei epileptischen Anfällen im Frühjahr 2013. Sie hatte 2003 und 2011 mit "Patientenverfügung" überschriebene Schriftstücke unterschrieben, in denen unter anderem festgelegt war: Wenn aufgrund von Krankheit oder Unfall ein schwerer Dauerschaden des Gehirns zurückbleibe, sollen "lebensverlängernde Maßnahmen unterbleiben". Die Frau hatte dieser Verfügung noch eine Vorsorgevollmacht für ihre drei Töchter beigelegt, in denen sie diese ermächtigte, mit der behandelnden Ärztin alle erforderlichen Entscheidungen zu treffen, um den Willen der Patientenverfügung zur Geltung bringen - und einer dieser Töchter noch eine Generalvollmacht zur Vertretung auch in allen medizinischen Angelegenheiten erteilt.

Die generalbevollmächtige Tochter und die behandelnde Ärztin waren der Ansicht, dass ein Abbruch der künstlichen Ernährung nicht dem Willen der Mutter entspreche. Die beiden anderen Töchter wollten die künstliche Ernährung abbrechen lassen und beantragten beim Betreuungsgericht entsprechende juristische Schritte. Der Streit darüber kam zum Bundesgerichtshof - der nun der Meinung war, die für eine Patientenverfügung zu verlangende "bestimmte Behandlungsentscheidung" liege nicht vor. Die Bundesrichter verwiesen den Fall ans Landgericht zurück. Es soll dort geprüft werden, ob mündliche Äußerung der alten Mutter vorliegen, die ihren Willen konkretisieren.

Laut Umfragen haben 28 Prozent aller erwachsenen Deutschen und 44 Prozent der über 60-Jährigen eine Patientenverfügung. Sie sollten nun prüfen, ob sie den Anforderungen des Bundesgerichtshofs genügt.

© SZ vom 10.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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