Parteienfinanzierung:Wie die NPD doch noch verschwinden könnte

-

NPD-Anhänger auf einer Demonstration in Berlin.

(Foto: Odd Andersen/AFP)
  • Das Bundesverfassungsgericht konnte die NPD nicht verbieten. In der Urteilsbegründung zeigt es aber einen Weg auf, der dennoch ihr Ende besiegeln würde.
  • Der Gesetzgeber könnte demnach das Gesetz zur Parteifinanzierung ändern.
  • Hochrangige Politiker befürworten diesen Schritt öffentlich.

Von Wolfgang Janisch, Karlsruhe

In den Stunden nach der Urteilsverkündung hatten die Forderungen, der NPD die staatliche Parteienfinanzierung zu streichen, noch verhalten geklungen. Aber nachdem sich die Politiker von ihren Fachleuten haben erklären lassen, was genau gemeint war mit den höchstrichterlichen Hinweisen in den Randziffern 264 und 265 des NPD-Urteils, zeichnet sich nun ein Konsens ab.

Den Rechtsextremisten den Geldhahn abzudrehen, sei nun "zwingend notwendig", sagte Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) der Passauer Neuen Presse. Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) sekundierte in der Rheinischen Post: "Steuermittel für die NPD sind eine staatliche Direktinvestition in rechtsradikale Hetze."

Die Botschaft des Gerichts: Ihr könnt die NPD finanziell austrocknen

Kommt nun, was immer mal wieder gefordert und genauso oft verworfen wurde: das Ende der staatlichen Parteienfinanzierung für extremistische Parteien wie die NPD? Tatsächlich lässt sich die entsprechende Passage im Urteil als ausdrückliches Angebot des Bundesverfassungsgerichts an den Gesetzgeber verstehen: Wir konnten die NPD nicht verbieten, aber ihr könnt sie finanziell austrocknen.

Der Zweite Senat nimmt Bezug auf ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte. Dieser hatte Anfang 2016 das Verbot der Kurdenpartei DTP durch das türkische Verfassungsgericht als menschenrechtswidrig gerügt. Das Menschenrechtsgericht beanstandete unter anderem, statt eines Verbots hätte das türkische Gericht - als milderes Mittel - den teilweisen oder vollständigen Entzug der staatlichen Parteienfinanzierung verfügen können.

Die Karlsruher Richter merken dazu an, für Deutschland sei dieses Mittel "nach der geltenden Verfassungslage" ausgeschlossen. Denn das Parteienprivileg lasse für Sanktionen unterhalb der Ebene des Parteienverbots keinen Raum - "solange der verfassungsändernde Gesetzgeber keine abweichenden Regelungen trifft". Und damit niemand die Einladung zum Finanzierungsstopp übersieht, erwähnte Gerichtspräsident Andreas Voßkuhle sie auch in seiner einleitenden Zusammenfassung des Urteils.

Warum man der NPD das Staatsgeld streichen darf

Könnte eine entsprechende Grundgesetzänderung noch vor der Bundestagswahl kommen? Christine Lambrecht, die Parlamentarische Geschäftsführerin der SPD, fordert dies. Das Bundesverfassungsgericht deutet zwar an, eine Drosselung des staatlichen Geldflusses zulasten extremistischer Parteien könne zulässig sein. Ein Versprechen, dass eine solche Reform in Karlsruhe Bestand hat, ist das aber nicht.

Denn in kaum einem Rechtsgebiet kontrollieren die Richter so akribisch wie bei der Parteienfinanzierung. Der Grund liegt auf der Hand: Wenn die Abgeordneten der Parteien im Parlament über die Verteilung von Staatsgeld entscheiden, geht es um massive Eigeninteressen - also darum, der eigenen Partei zu nützen oder der Konkurrenz zu schaden. Deshalb ist Karlsruhe hier besonders streng.

Für die aktuelle Diskussion könnte dies Folgendes bedeuten: Eine passgenaue Änderung des Parteien-Artikels 21, der die NPD erfasst, dürfte zulässig sein. Denn über die NPD steht nun auf 300 Seiten Urteilstext, dass sie gegen die Menschenwürde verstößt, dass sie die Demokratie und den Rechtsstaat bekämpft, und dass sie "wesensverwandt" mit der NSDAP ist. Nun, wo das Gericht der NPD mit Brief und Siegel bescheinigt hat, verfassungsfeindliche Ziele zu verfolgen, wird man der Partei das Staatsgeld streichen dürfen.

Machbar wäre eine "Lex-NPD"

Jede weichere, unscharfe Umformulierung des Parteien-Artikels könnte dagegen in Karlsruhe beanstandet werden. Sollte die Reform dazu führen, dass Parteien wie der AfD, die - jedenfalls derzeit - nicht zum verfassungsfeindlichen Spektrum gehört, das Geld gekürzt werden könnte, dann wäre ein Veto aus Karlsruhe vorhersehbar.

Zwar kann selbst das Bundesverfassungsgericht einen Grundgesetzartikel nicht ohne Weiteres für verfassungswidrig erklären. Allerdings gilt für die tragenden Säulen der Verfassung - wozu auch die Demokratie gehört - eine "Ewigkeitsgarantie". Der Staatsrechtler Joachim Wieland, Rektor der Universität in Speyer, ist sicher: "Wenn man das zum Mittel machen würde, die politische Konkurrenz von der Finanzierung auszuschließen, dann wäre das Demokratieprinzip verletzt."

Mit anderen Worten: Machbar wäre eine "Lex NPD", eine eng auf die Rechtsextremisten zugeschnittene Regelung, die sich am NPD-Urteil des Bundesverfassungsgerichts orientiert. Die NPD wäre damit zwar erlaubt, aber pleite: Im Jahr 2015 erhielt sie 1,3 Millionen Euro aus der Parteienfinanzierung. Das ist deutlich mehr als die Hälfte ihrer gesamten Einkünfte.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: