Parlamentswahl in Israel:Israelis strafen Netanjahu ab

Der israelische Premier Netanjahu gewinnt mit seinem Bündnis die Parlamentswahl, verliert aber ein Viertel der Mandate. Einen Überraschungserfolg erzielt der ehemalige TV-Moderator Lapid mit seiner neuen liberalen Partei. Möglicherweise muss Netanjahu sein Regierungsbündnis nun zur Mitte hin öffnen - das könnte Folgen für die Friedensgespräche haben.

Von Peter Münch, Tel Aviv

Die Partei von Premierminister Benjamin Netanjahu hat bei der Parlamentswahl in Israel herbe Verluste hinnehmen müssen. Allerdings blieb seine rechtsnationale Listenverbindung Likud-Beitenu nach Zählung zahlreicher Stimmen mit 31 der insgesamt 120 Parlamentssitze mit Abstand stärkste Fraktion. Auf dem zweiten Platz landete demnach überraschend die neu gegründete Zukunftspartei des früheren TV-Moderators Yair Lapid.

Netanjahu wird nun sondieren müssen, ob er die geschwächte bisherige Koalition mit den rechten und religiösen Parteien fortsetzen kann oder ob er sein Regierungsbündnis zur Mitte hin öffnet. Dies wird auch entscheidend sein für den weiteren Kurs im nahöstlichen Friedensprozess und im Atomstreit mit Iran. Die Spitzenposition hatte sich Netanjahu angesichts einer zunehmend zersplitternden Parteienlandschaft schon früh im Wahlkampf durch eine Allianz seines Likud mit der Partei des früheren Außenministers Avigdor Lieberman gesichert.

Doch das Bündnis liegt nun mit 31 Sitzen deutlich unter den 42 Sitzen, welche die beiden Parteien zusammengerechnet bei der letzten Wahl im Frühjahr 2009 gewonnen hatten. Unklar bleibt zudem, ob Lieberman nach einem anstehenden Betrugsprozess wieder ins Kabinett zurückkehren kann.

Augenscheinlich hat Likud-Beitenu sowohl nach rechts als auch zur Mitte hin Wähler verloren. Ein Teil der Stimmen ging an die noch weiter rechts stehende Siedlerpartei "Jüdisches Heim", die unter ihrem neuen Chef Naftali Bennett einen populistischen Imagewandel vollzogen hat und sich laut der Wahlnachfrage von drei auf zwölf Mandate verbesserte. Relativ stabil bleibt das religiöse Lager, aus dem die ultraorthodoxe Schas-Partei mit elf Sitzen herausragt, gefolgt vom Vereinigten Thora-Judentum mit sechs. Zusammengerechnet ergibt sich noch eine knappe Mehrheit für den rechten gegenüber dem linken Block.

Fraglich ist allerdings, ob damit die anstehenden Probleme des Landes gelöst werden können. Denn kennzeichnend für die alte Koalition waren neben dem Stillstand in den Friedensgesprächen mit den Palästinensern auch zahlreiche innenpolitische Blockaden. Spekuliert wird deshalb, ob Netanjahu nun versuchen wird, eine von vielen geforderte säkulare Regierung ohne die Schas-Partei zu bilden. Er kündigte noch in der Wahlnacht an, ein möglichst breites Bündnis bilden zu wollen.

Erster Ansprechpartner dafür wäre der fast kometenhaft aufgestiegene Yair Lapid, der im Wahlkampf deutlich gemacht hatte, dass er unter bestimmten Bedingungen zu einer Koalition mit Netanjahu bereit sei. Dasselbe gilt für die Ex-Außenministerin Tzipi Livni, die mit ihrer neu gegründeten Partei "Die Bewegung" laut den ersten Ergebnissen auf sieben Sitze im Parlament kommt. Livni hatte als Einzige den Friedensprozess mit den Palästinensern im Wahlkampf nach oben auf die Agenda gestellt.

Nur auf den dritten Platz kam laut der Wahlnachfrage die Arbeitspartei mit 17 Sitzen. Die Vorsitzende Shelly Yachimovich hat eine Koalition mit Netanjahu ausgeschlossen. Sie zeigte sich auch noch nach Veröffentlichung der ersten Ergebnisse hoffnungsvoll, dass eine Regierung ohne Netanjahu gebildet werden könnte. Die Koalitionsverhandlungen können sich nun über Wochen hinziehen.

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