Paris:Großrazzia gegen Terrorzelle 

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Stundenlang belagert die Polizei eine Wohnung, die Behörden vermuten dort den Drahtzieher der Anschläge. Ob er bei den Feuergefechten getötet wurde, bleibt zunächst unklar.

Von Leo Klimm, Paris

Mit einer spektakulären Kommandoaktion hat Frankreichs Polizei versucht, den Drahtzieher der Pariser Terroranschläge zu fassen. Bei der Razzia in Saint-Denis, einem Vorort nördlich von Paris, starben am Mittwoch mindestens zwei mutmaßliche islamistische Terroristen. Acht Personen wurden festgenommen. Abdelhamid Abaaoud, der mutmaßliche Lenker der Attentate, war nicht unter ihnen, wie am Abend der Pariser Staatsanwalt François Molins mitteilte. Molins sagte jedoch, es sei nicht ausgeschlossen, dass sich in den Trümmern einer Wohnung in Saint-Denis ein dritter Toter befinde, die Spurenlage sei aber sehr schwierig. Die Washington Post meldete zugleich, Abaaoud sei tot, nannte aber die näheren Umstände nicht. Als der siebenstündige Einsatz in Saint-Denis beendet war, hatte Molins gesagt, Ermittlungen der vergangenen Tage hätten den Schluss zugelassen, dass sich Abdelhamid Abaaoud, "in einer konspirativen Wohnung in Saint-Denis befindet". Bei den Attentaten, deren Urheber er sein soll, wurden am Freitag 132 Menschen getötet und 352 verletzt. Präsident François Hollande sagte, es gebe eine Verbindung zwischen den Festgenommenen und den Angreifern vom Freitag. Staatsanwalt Molin teilte mit, drei der acht Festgenommenen seien noch nicht identifiziert.

Alles deute darauf hin, dass dieses Kommando zur Tat schreiten konnte. Die Terrorzelle von Saint-Denis habe einen Anschlag auf ein Einkaufszentrum oder auf das Geschäftsviertel La Défense im Westen von Paris geplant, berichtet die Agentur Reuters unter Berufung auf Polizeiquellen. In den Bürotürmen von La Défense arbeiten täglich Zehntausende.

Sollte sich Abaaoud in den vergangenen Tagen in Saint-Denis befunden haben, würde das eine schwere Panne für die europäischen Sicherheitsbehörden bedeuten. Der 27-jährige Belgier marokkanischer Abstammung, der als einer der Köpfe des "Islamischen Staats" gilt, wurde zuletzt eigentlich in Syrien vermutet. Trotz breiter Fahndung könnte es ihm gelungen sein, nach Europa einzureisen und sich in unmittelbarer Nähe seiner Terrorziele aufzuhalten. In Saint-Denis steht das Fußballstadion, neben dem sich drei Selbstmordattentäter in die Luft sprengten. Im Februar hatte sich Abaaoud gebrüstet, unerkannt nach Belgien gereist zu sein, um dort Anschläge vorzubereiten. Diese vereitelte die Polizei.

Der Zugriff von Eliteeinheiten auf den Unterschlupf der Terrorzelle von Saint-Denis begann um etwa 4.30 Uhr, und war von stundenlangen Schusswechseln und Explosionen begleitet. Ein Islamist wurde erschossen, eine Frau tötete sich während der Erstürmung der Wohnung mit einem Sprengstoffgürtel. Einem Medienbericht zufolge soll es sich um eine Cousine Abaaouds handeln. Drei Männer wurden in der Wohnung festgenommen, zwei in einer anderen desselben Gebäudes. Unter den weiteren Verhafteten ist der Mann, der den Unterschlupf stellte. Sechs Polizisten erlitten leichte Verletzungen, ein Spürhund wurde von den mutmaßlichen Terroristen niedergeschossen. Verängstigte Anwohner sprachen von "Kriegsszenen" im abgeriegelten Zentrum von Saint-Denis.

© SZ vom 19.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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