Panama Papers:Krieg und Öl: Wie Söldner Briefkastenfirmen nutzen

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Mehrere afrikanische Staaten rekrutierten in den Neunzigern Söldner-Firmen, um Rebellionen niederzuschlagen. Bezahlt wurde in Rohstoffen. Illustration: Peter M. Hoffmann

Privatarmeen schlugen in Afrika Aufstände nieder. Über Offshore-Konstrukte können sie strenge Gesetze umgehen.

Von Isabel Pfaff

Tony Buckinghams Blog gibt nicht viel preis über Tony Buckingham: 64 Jahre alt, leidenschaftlicher Segler, außerdem Gründer und Teilhaber einer erfolgreichen Ölfirma. Die Spuren, die der Brite im Netz hinterlässt, sind überschaubar. Dabei zählte Buckingham zu den schillerndsten Kriegsunternehmern der Welt. Früher als andere hatte er begriffen, dass sich viel Geld machen lässt, wenn man zwei Geschäftszweige zusammenbringt: Kriegsführung und Rohstoffausbeutung.

1992 gründete Buckingham das Öl-Unternehmen Heritage Oil & Gas Limited. Kurz darauf wurde er Partner der legendären südafrikanischen Söldnerfirma Executive Outcomes, ein paar Jahre später baute er deren Ableger Sandline International mit auf. Die Firmenfäden, die Buckingham zeitweise in den Händen hielt, machten ihn zum König des Söldnergeschäfts in Afrika - in den 1990er-Jahren ein extrem lukratives Business. Viele afrikanische Staaten standen damals auf wackeligen Beinen, ihre Armeen waren in jämmerlichem Zustand, Aufstände bedrohten ihre Existenz. Einige Regierungen beauftragten Firmen wie Executive Outcomes damit, die Rebellionen niederzuschlagen. Und bezahlten mit Ausbeutungslizenzen für Öl, Gold und Diamanten.

Mit einem ganzen Firmengeflecht sorgten Buckingham und seine Mitstreiter dafür, dass sie sowohl Sicherheitsaufträge entgegennehmen als auch die Rohstofflizenzen nutzen konnten. 30 bis 50 Einzelfirmen sollen zu dem Konglomerat gehört haben, wie Recherchen südafrikanischer Journalisten von damals zeigen.

Executive Outcomes und Sandline International, die beiden wichtigsten Firmen des Geflechts, existieren heute nicht mehr. Doch die Namen der Männer, die mit diesen Söldnerfirmen reich geworden sind, findet man noch. Sie stehen, wie Buckingham selbst, an der Spitze von weiterhin aktiven Rohstoffunternehmen - oder sie sitzen in den Chefetagen neuer Sicherheitsunternehmen.

Man findet ihre Namen auch in den Panama Papers, den geleakten Unterlagen der Kanzlei Mossack Fonseca.

Sie verschleierten offenbar große Teile ihres Söldnerimperiums

In den 1990er-Jahren ließ ein Vermittler mehrere Firmen bei Mossack Fonseca registrieren, die alle mehr oder weniger deutliche Verbindungen zu dem Geflecht rund um Executive Outcomes aufweisen. Die Dokumente bestätigen heute, wofür Journalisten schon damals Indizien gesammelt haben: Tony Buckingham und seine Kollegen verschleierten offenbar große Teile ihres Söldnerimperiums mittels Offshore-Firmen.

Nur: Wer wie Buckingham mit dem Krieg Geschäfte machen will, braucht nicht zwingend eine Briefkastenfirma. Private Sicherheitsfirmen sind an sich nicht illegal. Seit dem Irak-Krieg 2003 sind sie sogar auf gewisse Art salonfähig: Zehntausende Privatangestellte ergänzten damals die westlichen Truppen, meist als Personenschützer oder Wachpersonal. Der Sektor wuchs zu einer milliardenschweren Branche heran.

Die Rechtslage ist dabei komplex: International geächtet sind Aktivitäten von Söldnern nur dann, wenn sie eindeutig über die Selbstverteidigung hinausgehen - eine Bedingung, die selten zweifelsfrei nachgewiesen werden kann. Auf nationaler Ebene gibt es sehr unterschiedliche Gesetze: Hier reicht das Spektrum von der liberalen Haltung der USA, die privaten Militärfirmen große Freiheiten lassen, bis zu Südafrika, wo es seit 1999 eines der strengsten Söldnergesetze der Welt gibt. Jedes südafrikanische Unternehmen, das militärische Leistungen anbieten will, egal in welchem Land, braucht die Erlaubnis einer nationalen Behörde; sogar jeder einzelne Auftrag bedarf einer Genehmigung.

Profit verschleiern, Gesetze umgehen

Hier liegt wohl einer der Gründe für das Offshore-Netzwerk, das aus Executive Outcomes entstanden ist. Denn Firmen, die auf den Bahamas oder den Britischen Jungferninseln registriert sind, können nicht nur ihren Profit verschleiern. Sie können auch strenge Gesetze in den Ländern umgehen, aus denen sie ursprünglich stammen.

Executive Outcomes (EO) war aus ehemaligen Spezialkommandos der südafrikanischen Apartheid-Armee entstanden. Diese sehr gut ausgebildeten Soldaten suchten nach der Ablösung des weißen Regimes neue Aufgaben. Bei Executive Outcomes, gegründet von dem Ex-Geheimagenten Eeben Barlow, fanden sie, was sie suchten. 1993 zogen Barlows Kämpfer in ihre erste richtige Schlacht nach Angola - engagiert von Tony Buckingham.

Der hielt sich damals als Öl-Unternehmer in dem vom Bürgerkrieg zerrütteten Land auf. Seine Firma Heritage Oil & Gas Limited gab es bereits - registriert auf den Bahamas durch Mossack Fonseca. In den Papieren fungiert Buckingham offen als Direktor der Firma, erst von 2006 an ersetzen ihn Schattenmänner.

Die angolanischen Unita-Rebellen hatten Ölfelder erobert, auf denen Buckingham zugange war. Mit Hilfe der Söldner von Executive Outcomes wollte er die Gebiete zurückholen - was auch gelang. Die beeindruckte angolanische Regierung schloss kurz darauf einen umfangreichen Vertrag mit Executive Outcomes. Barlows Männer sollten die Regierungstruppen trainieren und selbst Militäroperationen gegen die Unita-Rebellen durchführen. Ende 1994 hatten die Söldner die Aufständischen so sehr geschwächt, dass die Kämpfe für kurze Zeit aufhörten.

Zu dieser Zeit begann sich der Unternehmenskomplex um Buckingham und Executive Outcomes (EO) aufzusplitten. EO, registriert in Südafrika, übernahm weiter das militärische Kerngeschäft. Hinzu kamen kleinere Firmen, die sich separat um Rohstoffausbeutung, Transport, Logistik, Überwachung, medizinische Versorgung und vieles mehr kümmerten. Sie operierten zum Teil von Südafrika, zum Teil von Großbritannien aus. Registriert aber waren die meisten offshore.

In den Unterlagen von Mossack Fonseca finden sich neben Heritage Oil & Gas mindestens sieben weitere Firmen, die früheren Recherchen zufolge zum EO-Komplex gehören. Darunter Filialen des Rohstoffunternehmens Branch Energy, geschaffen von Buckingham. Oder Capricorn Systems, die für Lufttransporte zuständig gewesen sein soll. 1996 kam auch Sandline International dazu, die jüngere Version von Executive Outcomes. Immer wieder taucht in den Unterlagen dieser Firmen Buckinghams Name auf. So lässt sich die gesamte Heritage-Firmengruppe auf ihn oder auf von ihm kontrollierte Unternehmen zurückführen. Für Capricorn Systems nahm Mossack Fonseca ausweislich der Panama Papers Briefe entgegen, die an Buckingham adressiert waren.

In den Papieren stecken auch Belege dafür, dass Capricorn Geschäfte mit Flugzeugen machte. Im Frühjahr 1994, also während des EO-Einsatzes in Angola, bemühte sich die Firma darum, ein Flugzeug aus den USA ausführen zu dürfen. Und wenige Monate später bewarb sie sich bei einem texanischen Treibstoffanbieter um eine Art Rabattkarte, mit der sie verbilligten Treibstoff für zwei Boeing 727 kaufen möchte. Auf dem Bewerbungsformular ist der Standort der beiden Maschinen angegeben: Angola.

Das Söldner-Imperium aus den 90er-Jahren reicht bis in die Gegenwart

Der dortige Auftrag erwies sich für die EO-Firmengruppe als ziemlich lukrativ - allerdings setzte er die Söldner auch unter Druck. Eeben Barlow und seine Leute behaupteten zwar immer, nur Truppen trainiert zu haben, doch es gab genügend Zeugen, die ihre aktive Teilnahme an Kampfhandlungen bestätigten. Der internationale Druck auf Executive Outcomes stieg - und in der Heimat Südafrika bahnte sich bereits das strikte Söldner-Gesetz an.

Wieder fand sich die Lösung offshore: Sandline International, 1996 auf den Bahamas registriert, wurde der neue militärische Kern des Konglomerats, insbesondere nach der Schließung von Executive Outcomes im Jahr 1999.

Zunächst aber operierten beide Firmen parallel, etwa in Sierra Leone. Auch dort marschierten Rebellen in Richtung der Hauptstadt Freetown und brachten unterwegs Diamantenminen unter ihre Kontrolle. Und auch dort sorgte sich ein gewisser Tony Buckingham um seine Geschäfte. Er verschaffte Executive Outcomes 1995 einen Regierungsauftrag in dem westafrikanischen Land. 1997 landete auch Sandline in Sierra Leone, allerdings nicht im Auftrag der damaligen Machthaber, sondern der gestürzten zivilen Regierung. Zusammen mit Subfirmen von Executive Outcomes beteiligten sich Sandline-Söldner an der Vertreibung der Militärjunta - wobei sie das Waffenembargo der Vereinten Nationen brachen, wie sich herausstellte.

Die Geschäfte bei Sandline führte Tim Spicer, ein ehemaliger Offizier der britischen Armee. An ihn sind mehrere Briefe adressiert, die Mossack Fonseca für Sandline erhalten hat. Dass Spicer der Kopf des Unternehmens war, belegt allerdings nicht erst das Datenleck in Panama. Spicer erregte mit Sandline Anfang 1997 weltweit Aufmerksamkeit. In Papua-Neuguinea sollten die Söldner eine Rebellion niederschlagen, doch die Armee ließ den Plan platzen und steckte Spicer und seine Männer vorübergehend ins Gefängnis.

In den Papieren von Mossack Fonseca findet man den Vertrag, den Sandline damals mit der Regierung von Papua-Neuguinea geschlossen hat. Ein seltenes Dokument der Verflechtung: Die Firmenanschrift lautet demnach 535 Kings Road, London - dasselbe Büro, das auch Branch Energy und Heritage Oil & Gas nutzen, die beiden Buckingham-Firmen. Und als Vertragszeuge hat ein Mann unterschrieben, der später Barlow an der Spitze von Executive Outcomes ersetzte.

Fragen der SZ zu dem Komplex um Executive Outcomes beantworteten Buckingham und Barlow nicht. Spicer lässt über einen Mittelsmann mitteilen, dass er der "Operations Director" von Sandline International gewesen sei. Er habe aber keinerlei Beziehung zu Tony Buckingham.

Sandline existierte noch bis ins Jahr 2004, dann stellte auch der Ableger von Executive Outcomes seine Tätigkeiten ein. Bis heute ist auf der Firmenwebseite die offizielle Begründung zu lesen: die mangelhafte Unterstützung von Regierungen für private Militärfirmen, "die helfen wollen, bewaffnete Konflikte in Regionen wie Afrika zu beenden". Tatsächlich gibt es heute praktisch keine Firmen mehr, die offensive Militäroperationen in Krisengebieten anbieten (und sich dafür in wertvollen Rohstofflizenzen bezahlen lassen). Heutige Sicherheitsunternehmen verhalten sich defensiver.

Doch ein paar Ausläufer des Söldner- und Rohstoffimperiums, das Buckingham, Barlow und Spicer in den 1990ern aufgebaut haben, reichen wohl bis in die Gegenwart. Das zeigen die geleakten Papiere von Mossack Fonseca - und eine Internetrecherche zu den Protagonisten von damals: Tony Buckingham ist demnach inzwischen Teilhaber von Heritage Oil, einer Firma, die weltweit Öl und Gas fördert und auf der Kanalinsel Jersey registriert ist. Wie die Mossack-Fonseca-Papiere zeigen, ist Heritage Oil Eigentümerin der gesamten Heritage-Familie - auch von Buckinghams alter Firma, Heritage Oil & Gas.

Tim Spicer hat nach Sandline International eine neue Firma gegründet, Aegis, einen der heute größten Sicherheitsanbieter der Welt. Das Unternehmen schloss einen Vertrag mit dem US-Verteidigungsministerium; für knapp 300 Millionen Dollar beaufsichtigte Aegis alle privaten Sicherheitsdienste, die im Irak für die USA arbeiteten. Eeben Barlow ist heute Chef einer neuen Sicherheitsfirma, STTEP. Seine Männer sollen im vergangenen Jahr der nigerianischen Armee geholfen haben, die Terrormiliz Boko Haram zurückzudrängen.

Das Imperium ist noch nicht am Ende.

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