Pakistan:Sharif folgt Sharif

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Nach der Amtsenthebung von Ministerpräsident Nawaz Sharif durch das Oberste Gericht hat die Regierungspartei PML-N ihren Kandidaten für das Amt bestimmt. Nun soll der Bruder des geschassten Premiers die Regierung führen.

Von Tobias Matern, München

Nawaz Sharif ist nicht mehr Ministerpräsident Pakistants. (Foto: Anjum Naveed/dpa)

Die Entscheidung ließ nicht lange auf sich warten. Bereits einen Tag nach dem historischen Beschluss des pakistanischen Obersten Gerichts, Premierminister Nawaz Sharif des Amtes zu entheben, hat die Regierungspartei PML-N am Samstag dessen jüngeren Bruder Shahbaz für das Amt des Regierungschefs nominiert. Nawaz Sharif und drei seiner Kinder müssen sich nun auf strafrechtliche Ermittlungen einstellen - es geht unter anderem um dubiose Finanzgeschäfte, Briefkastenfirmen und den Kauf einer Immobilie in London.

Das Gericht sah es als erwiesen an, dass Sharif unehrlich und damit nicht in der Lage sei, sein Amt auszuüben. Übergangsweise soll nun an diesem Dienstag Ölminister Shahid Khaqan Abbasi im Parlament zum neuen Regierungschef gewählt werden, bis Shahbaz Sharif durch eine Nachwahl ins Parlament rückt und den Posten übernehmen kann. Dies soll in den nächsten 45 Tagen geschehen.

Die Entscheidung des Gerichts, den amtierenden Regierungschef zu disqualifizieren, geht auf die Panama Papers zurück. Nach einer monatelangen Hängepartie hatte das Oberste Gericht ein Gremium eingesetzt, das einen Bericht über die Sharifs anfertigte. Daraufhin setzte das Gericht Nawaz Sharif ab. Auch die Tochter des entlassenen Premierministers, Maryam, gerät nun durch die Justiz in Bedrängnis: Sie galt bislang als Kronprinzessin in einer der mächtigsten Familien der pakistanischen Politik.

"Mein Gewissen ist rein", sagte Nawaz Sharif am Wochenende vor Mitgliedern der PML-N. Die Partei ist von der Familie bislang dynastisch geführt worden, sämtliche Entscheidungen gingen vom nun gestürzten Premier aus, der bereits in den Neunzigern zweimal das Land regiert und nach einem Militärcoup Pakistan für einige Jahre verlassen hatte. Sharifs Aus reiht sich ein in eine lange Liste gescheiterter Regierungschefs: Noch nie in der Geschichte Pakistans hat ein Premierminister eine komplette Amtszeit politisch überlebt.

Nach dem Urteil gegen Sharif bewegte Pakistans liberale Presse am Wochenende die Frage, ob die Entscheidung mit Billigung des mächtigen Militärs gefallen sei. Der Beschluss, Nawaz Sharif zu stürzen, habe rechtlich auf dünner Grundlage gestanden, argumentiert etwa die Zeitung Dawn, die nicht in Verdacht steht, zu freundlich über den Premierminister zu berichten. Dennoch begrüßt das Blatt Sharifs Absetzung, am Ruf Sharifs und der gesamten politischen Elite Pakistans lässt die Zeitung kein gutes Haar: Das Land "könnte ein anständiger Ort zum Leben sein, wenn es die selbstsüchtigen, korrupten Politiker nicht gäbe, die Arme und Hilflose hintergehen".

Nun hofft Oppositionsführer Imran Khan, der Pakistan 1992 im Cricket zum Weltmeistertitel geführt hat, bei den Parlamentswahlen im kommenden Jahr die Sharifs abzulösen. Er hat zwar auch Probleme mit dem Fiskus, gilt bei den Menschen im Land aber als ein Politiker, der nicht in die eigene Tasche wirtschaftet. "Pakistan hat heute gewonnen", kommentierte Khan das Urteil. Endlich einmal habe die Justiz einen Vertreter der "Reichen und Mächtigen" in die Schranken gewiesen - dies geschehe sonst immer nur mit "Schwachen und Armen".

© SZ vom 31.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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