Pakistan:Gedemütigte Regierung

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In Islamabad weicht der Justizminister dem Druck der religiösen Eiferer und tritt zurück. Kann sich das Land nicht mehr gegen Islamisten wehren?

Von Arne Perras, Singapur

Fürchtete um sein Leben: Minister Zahid Hamid. (Foto: Murtaza Ali Khan/AFP)

Der Vorwurf der Gotteslästerung lässt sich in Pakistan besonders leicht als politische Waffe einsetzen. Islamistischen Aktivisten ist es nun sogar gelungen, mittels der Blasphemie-Keule den Justizminister zu stürzen.

Wochenlang hatten Eiferer Straßen blockiert, um Druck zu machen. Schließlich eskalierte die Lage am Wochenende, als Sicherheitskräfte einschritten, um ein Autobahnkreuz nahe Islamabad zu räumen. Der Einsatz endete in einem Fiasko. Sechs Menschen kamen ums Leben, 200 wurden verletzt. Die Proteste sprangen auch auf andere Städte über. Am Montag legte Zahid Hamid sein Amt als Justizminister schließlich nieder. Er gab sich geschlagen, weil er um sein Leben und das seiner Familie fürchte, begründete er den Rückzug.

Die Demütigung der Regierung und das schwer beherrschbare Chaos schürt Befürchtungen, dass der Staat sich immer weniger gegen religiöse Hardliner zur Wehr setzten kann und sich erpressen lässt, wenn religiöse Kräfte Blasphemie als Waffe gegen liberale Kräfte einsetzen.

Entzündet hatte sich der Zorn an einem überarbeiteten Formular, das Kandidaten für die Parlamentswahl unterschreiben müssen. In der alten Fassung hieß es: "Ich schwöre feierlich, dass ich an die absolute und uneingeschränkte Finalität des Prophetentums Mohammeds glaube." In der neuen Fassung war vorgesehen, dass ein Kandidat diesen Glauben nicht mehr "schwört", sondern lediglich "erklärt". Was für manche nach einer Petitesse klingt, hat Pakistan in eine Staatskrise getrieben.

Die religiösen Hardliner, die wegen angeblicher Beleidigung Mohammeds Sturm liefen, schürten auch mit einer Falschmeldung die Wut. Manche behaupteten, der Prophet sei aus der Erklärung ganz gestrichen worden. Das konnte das Ministerium zwar widerlegen, doch spielte das schon kaum noch eine Rolle, Hamid konnte den Vorwurf der Blasphemie nicht mehr abschütteln. Seine Gegner streuten auch Gerüchte, der Justizminister wolle die religiöse Gruppe der Ahmadi fördern, die sich zwar als Muslime sehen, in der pakistanischen Verfassung aber als "Nicht-Muslime" eingestuft werden. Ahmadis werden in Pakistan häufig wegen ihres Glaubens verfolgt.

Die Proteste gegen den Minister wurden von einer radikalen Bewegung angeführt, die vor allem durch ihre Agitation für einen verurteilten Mörder bekannt geworden ist. 2011 hatte der Leibwächter Mumtaz Qadri seinen Chef Salman Taseer, den Gouverneur von Punjab, erschossen, weil sich der Politiker gegen Pakistans Blasphemie-Gesetz ausgesprochen hatte. Der Staat ließ Qadri für das Verbrechen hängen, doch machte er ihn dadurch zum Märtyrer. Jene, die den Minister zu Fall brachten, verehren Qadri als Helden, das Lynchen mutmaßlicher Gotteslästerer halten sie für legitim. "Die sind gefährliche Leute, die gefährliche Ansichten von sich geben", schreibt Michael Klugmann vom Woodrow Wilson International Center.

Ein Editorial der Zeitung Dawn geißelte die Regierung für ihr "desaströses" Krisenmanagement, sie habe zugelassen, das sich die Proteste zur "gefährlichen und de-stabilisierenden nationalen Krise" ausweiten konnten. Die regierende Muslim-Liga PML-N wird von religiösen Eiferern attackiert, weil sie die Partei für zu liberal halten. Korruptionsvorwürfe und der erzwungene Rücktritt von Premier Nawaz Sharif haben die Partei geschwächt. Nachfolger Shahid Khaqan Abbasi macht kaum den Eindruck, als sei er Herr der Lage. Die zivile Führung wankt. Und jedes Mal, wenn das in Pakistan so ist, gibt es einen heimlichen Gewinner: die Generäle. Je kraftloser die Volksvertreter erscheinen, umso mehr empfiehlt sich die Armee als Stütze der Nation.

© SZ vom 28.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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