Öffentlicher Dienst:Gesetze, Würste, Tarifverträge

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Der Abschluss, auf den sich nun der Bund, die Kommunen und mehrere Gewerkschaften geeinigt haben, ist weder herzlos noch töricht. Er ist ehrenwert und gut durchdacht.

Von Detlef Esslinger

Von Bismarck stammt dieser Satz über Gesetze und Würste, der auch für viele Tarifverträge gilt: "Man sollte besser nicht dabei sein, wenn sie gemacht werden." Gesetze und Tarifforderungen werden oft sehr ehrenwert und logisch und rational begründet, aber weil dann der eine dies will und der andere das, endet es mitunter in einem Gewürge, in dem Kräfteverhältnisse entscheiden, und sonst wenig. Für den Tarifvertrag, auf den sich nun der Bund, die Kommunen und mehrere Gewerkschaften geeinigt haben, scheint das, soweit man ihn auf Anhieb beurteilen kann, ausdrücklich nicht zu gelten. Er ist ehrenwert, logisch, rational.

Die Interessen und Ideologien der Beteiligten sind im Grunde höchst unterschiedlich. Die Gewerkschaft Verdi organisiert vor allem Menschen aus den unteren Entgeltgruppen sowie Ältere, in ihrem linkstraditionellen Milieu dominiert die Idee der Verteilungsgerechtigkeit: Gerecht ist, wenn das Geld, das da ist, so verteilt wird, dass diejenigen, die weniger haben, mehr bekommen. Die Arbeitgeber hingegen bevorzugen die Idee der Chancengerechtigkeit: Alle müssen ihre Chance auf Aus- und Weiterbildung erhalten, und diejenigen, die sie nutzen, müssen mehr bekommen als diejenigen, die sie nicht nutzen. Meistens hat Verdi sich etwas mehr durchgesetzt als die Arbeitgeber; Streikdrohungen sind letztlich doch beeindruckender als Argumente.

Das Werk, auf das sich beide Seiten nun in Potsdam verständigt haben, unterscheidet sich von früheren Tarifverträgen deutlich. Es geht einher mit einem Umbau des gesamten Tarifgefüges, und dieser Umbau ist nicht die Folge verschiedener Kraftmeiereien, sondern er hat eine durchgehende innere Logik. Erstens gilt, über alle Entgeltgruppen hinweg, die Faustregel: Die Jüngeren, und vor allem die Berufseinsteiger, dürfen sich über höhere Zuwächse freuen als die Älteren. Der Grund dafür ist, dass Bund und Kommunen im Wettbewerb mit der Privatwirtschaft um den Nachwuchs attraktiver werden wollen.

Das zweite Prinzip bei diesem Umbau besteht darin, die Hoch- und die Geringqualifizierten besser zu bedienen als die Mittelqualifizierten - die eine Gruppe ebenfalls wegen des Wettbewerbs mit der Privatwirtschaft, die andere aus Gründen der Solidarität, sowie um kein Milieu zu erzeugen, in dem Arbeitnehmer, die mindestens genauso hart arbeiten wie Akademiker, sich abgehängt fühlen. Es ist ja immer eine sehr philosophische Frage, was eigentlich gerecht ist. Ungerecht, zumindest herzlos wäre es, all die Un- und Angelernten beim Geld lebenslänglich dafür zu bestrafen, dass sie in einer früheren Phase ihres Lebens Chancen nicht genutzt haben. Ungerecht, zumindest töricht wiederum wäre es, vor lauter Solidarität zu ignorieren, dass sich auch der Staat auf einem Markt bewegt, auf dem er IT'lern, Juristen und Ingenieuren entweder besondere Angebote machen oder die Nachfrage einstellen muss.

Vor zwei Monaten haben sich die Metall-Arbeitgeber und die IG Metall auf einen Tarifvertrag geeinigt, der den Arbeitnehmern mehr Zeit für die Familie gibt, ohne den Firmen Personal zu entziehen oder Kosten aufzubürden. Jetzt liefert auch der öffentliche Dienst, bei einer ganz anderen Fragestellung, ein kohärentes Modell. Wenn auch Gesetze immer so gemacht würden: Bismarcks Satz würde sich erledigen.

© SZ vom 19.04.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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