NSU-Prozess:Verteidiger in Geiselhaft

NSU Prozess

Sie wollen nicht mehr, aber sie müssen: Die drei Anwälte der mutmaßlichen Rechtsterroristin Beate Zschäpe, Wolfgang Heer (von links), Anja Sturm und Wolfgang Stahl.

(Foto: dpa)

Die Anwälte Heer, Sturm und Stahl wollen Beate Zschäpe nicht mehr verteidigen, aber sie müssen. Erst das Urteil im NSU-Prozess verheißt ihnen Freiheit.

Kommentar von Annette Ramelsberger

Ja, es ist Zeit, dass der NSU-Prozess zu Ende geht. Und ja, dieser Prozess leidet unter den vielen juristischen Spiegelfechtereien, sodass die zehn Morde dahinter fast verblassen. Aber dennoch kann man nicht jeden formalen Einwand beiseitewischen, vor allem, wenn es ein gewichtiger ist. Nun gibt es so einen Einwand.

Die Verteidiger von Beate Zschäpe haben sich so zerstritten, dass sie sich gegenseitig der Lüge, Kompetenzanmaßung und Unverschämtheit bezichtigen und die drei ursprünglichen Verteidiger das Gericht darum bitten, entpflichtet zu werden. Das könnte den seit vier Jahren währenden Prozess auf den letzten Metern noch in Turbulenzen bringen.

Auf den ersten Blick ist das unverständlich. Zschäpe hat fünf Verteidiger, zwei Teams, sehr unterschiedlich. Auf der einen Seite die drei Verteidiger Heer, Stahl und Sturm, die sich von diesem Prozess Ruhm versprochen hatten und bald von ihrer egozentrischen, herrischen Mandantin zur Verzweiflung getrieben wurden. So sehr, dass sie bereits im Sommer 2015 darum baten, das Gericht möge sie von der Verteidigung entpflichten - was nicht geschah.

Auf der anderen Seite Zschäpes neue, zusätzliche Verteidiger Borchert und Grasel, deren Hauptaufgabe es war, eine Erklärung für ihre Mandantin auszuarbeiten, in der sich die Angeklagte als braves Frauchen darstellte, das ihren mörderischen Männern untertan war. Es war eine Erklärung, die in Hohn und Spott unterging. Seitdem kommt von diesen Anwälten so gut wie nichts mehr. Höchstens, dass einer erstaunt die Frage stellt, ob der psychiatrische Sachverständige Zschäpes Erklärung wirklich nicht glaube. Er glaubt sie nicht.

Heer, Stahl und Sturm dagegen sind immer noch aktiv - auch wenn es längst nicht mehr nur darum geht, Zschäpe zu verteidigen. Ihnen geht es um ihre Ehre. Wenn sie schon in diesem Ewigkeitsprozess gefangen sind, wollen sie sich wenigstens nicht nachsagen lassen, schlechte Arbeit gemacht zu haben. Das ist schwierig, denn Zschäpe redet seit eineinhalb Jahren nicht mehr mit ihnen.

Auf die neuen Verteidiger will das Gericht nicht bauen

Jetzt ist es zur Konfrontation gekommen: Heer und Sturm hatten im Namen Zschäpes Befangenheitsanträge gestellt. Zschäpe aber nahm diese Anträge per Brief zurück. Nun wollen die alten Verteidiger endgültig nicht mehr.

Verständlich. Strafverteidiger wehren sich überall dagegen, von den Gerichten nur als Verurteilungs-Begleiter angesehen zu werden, die bitte nicht durch allzu aktive Verteidigung stören sollen. Im NSU-Prozess wird Zschäpes Altverteidigern noch mehr zugemutet: Ihre Mandantin sieht sie als nützliche Laufburschen, die Verteidigerkollegen lassen sie gerne über Nacht Anträge ausarbeiten, denen sie sich dann geschmeidig anschließen, und das Gericht hält sie in einer Art Geiselhaft, um die Verteidigung sicherzustellen.

Auf die zwei neuen Verteidiger will das Gericht nicht bauen, zumal einer nur hin und wieder mal vorbeischaut. Heer, Stahl und Sturm müssen jetzt - wie Zschäpe - auf das Urteil hoffen: Die Angeklagte wird in Haft kommen, ihren Verteidigern verheißt es die Freiheit.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: