NSU-Prozess:Juristischer Psycho-Krieg um Gutachter

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Angeklagte Beate Zschäpe (Mi.) mit zwei ihrer Anwälte im Gerichtssaal des Oberlandesgerichts in München. Das Foto entstand am 12. November 2013. (Foto: dpa)

Wie nah darf Henning Saß an Beate Zschäpe sitzen? Die Anwälte der Hauptangeklagten im Münchner NSU-Prozess dringen darauf, dass der Forensiker woanders Platz nimmt. Der Richter reagiert gelassen, doch Gutachter Saß bewegt sich.

Aus dem Gericht berichtet Tanjev Schultz

Henning Saß hat schon viel erlebt vor Gericht. Er untersuchte etwa den Mörder des Modemachers Rudolph Moshammer. Inzwischen gilt er als einer der bekanntesten forensisch-psychiatrischen Gutachter in Deutschland.

Derzeit sitzt er als Sachverständiger im NSU-Prozess, um ein Gutachten über Beate Zschäpe zu schreiben. Das ist aber nicht ganz einfach, da die Angeklagte eine Untersuchung verweigert und auch sonst nichts sagt.

So bleibt Saß nichts anderes übrig, als sich genau anzuhören, was verschiedene Zeugen so alles über Zschäpe berichten und behaupten. Saß studiert auch das Verhalten der schweigenden Angeklagten vor Gericht. Er hat sie recht genau im Blick.

Spannungen seit Wochen

Das ist Zschäpe und ihren Verteidigern nicht angenehm. Seit Wochen gibt es Spannungen zwischen den Anwälten und dem Gutachter. An diesem Dienstag hat Zschäpes Verteidiger Wolfgang Heer nun einen Antrag zur Sitzordnung gestellt: Herr Saß soll mehr Abstand halten.

Saß sitzt an einem Platz, der in rechtem Winkel zum Tisch der Angeklagten liegt. Die Entfernung ist nicht sehr groß, Heer spricht von etwa zwei Metern. Die Richter, so verlangt er, sollten dem Gutachter bitte einen anderen Platz zuweisen, der eine "ungestörte verbale Kommunikation" der Anwälte mit ihrer Mandantin ermögliche. Anders gesagt: Saß soll nicht mitlauschen.

Heer beklagt eine "Beeinträchtigung der geschützten Verteidigungssphäre". Für eine effektive Verteidigung sei es wichtig, ungehindert mit der Angeklagten sprechen zu können. Saß richte auch "regelmäßig den Blick auf die Mandantin".

Der Gutachter gibt sich flexibel

Henning Saß hört sich das alles mit verschränkten Armen an. Man braucht kein Psychowissenschaftler zu sein wie er, um diese Haltung richtig deuten zu können. Er sagt, den Inhalt der Gespräche zwischen Zschäpe und den Anwälten könne er keineswegs mithören. Und ansonsten sei er, was den Platz betreffe, durchaus flexibel.

Der Vorsitzende Richter Manfred Götzl wirkt wenig gewillt, den Antrag allzu ernst zu nehmen. Er sagt: "Ich hab noch nie was mitgehört, um es mal deutlich zu sagen. Und ich sitze auch nicht weiter weg."

Das vorläufige Ende der Auseinandersetzung sieht dann so aus, dass Henning Saß einfach einen Stuhl weiterrutscht. Er ist jetzt immer noch recht nah dran an der Angeklagten.

Irgendwann, auch das gehört zum Antrag der Verteidiger, wird das Gericht noch darüber befinden müssen, auf welcher Grundlage Saß sein Gutachten erstellen wird. Darf er beispielsweise einfließen lassen, was er so alles in den Verhandlungspausen beobachtet?

Der juristische Psycho-Krieg ist noch nicht beendet.

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