Netanjahu und Merkel:Schleichende Entfremdung

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Die Entfremdung wächst: Kanzlerin Angela Merkel und Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu bei einem Treffen vor drei Jahren in Berlin. (Foto: AFP)

Israels Regierungschef besucht heute die Kanzlerin in Berlin. Ihr Verhältnis ist angespannt, auch wenn vieles verlässlich abläuft. Zu viel Normalität tut Israel und Deutschland aber auch nicht gut.

Kommentar von Nico Fried

In der Außenpolitik Angela Merkels haben zwei Staaten immer eine herausgehobene Rolle gespielt: Das Verhältnis zu den USA und die Beziehungen mit Israel. Gegenüber den USA hat es Merkel über viele Jahre nie versäumt, Amerikas Verdienste um die deutsche Einheit und als Bündnispartner zu würdigen. Das besondere Verhältnis zu Israel gründet für sie in der Verpflichtung aus dem Holocaust und gipfelte im Wort von der Sicherheit Israels als deutscher Staatsräson.

Der gegenwärtige Zustand beider Beziehungen ist deshalb besonders bitter für die Kanzlerin. Die Belastung im Verhältnis zu den USA seit dem Amtsantritt von Donald Trump ist augenfällig, steigert sich kontinuierlich und mit Getöse. Im Verhältnis zu Israel handelt es sich eher um einen schleichenden Prozess, eine Entfremdung zwischen der Kanzlerin und Premierminister Benjamin Netanjahu, der seit neun Jahren ununterbrochen regiert.

Diese Entfremdung hat sich in einer abnehmenden Zahl von Begegnungen manifestiert. Am Montag kommt Netanjahu nach mehr als zwei Jahren erstmals wieder nach Berlin. Merkel war zuletzt 2014 in Israel. Zwischendurch gab es ein Treffen in Davos. Da reden zwei miteinander, die sich nur wenig Neues zu sagen haben.

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Von Alexandra Föderl-Schmid

Netanjahus formelles Bekenntnis zur Zweistaatenlösung für den Konflikt mit den Palästinensern glaubt in Berlin niemand mehr, weil es mit seiner Siedlungspolitik nicht zusammengeht. Diese Differenz ist längst offenkundig, Merkel und Netanjahu haben sie bereits vor einigen Jahren in einer diplomatischen Formel auf Eis gelegt: Wir sind uns einig, nicht einig zu sein.

In der Iran-Frage liegen die Dinge komplizierter. Merkel hatte und hat für Israels Sorge vor einer iranischen Aggression großes Verständnis. Weil das Verhältnis Netanjahus zu Barack Obama erkaltet war, nahm Berlin seinerzeit in den Verhandlungen mit Iran über ein Atomabkommen quasi die israelischen Interessen wahr.

Manches im deutsch-israelischen Verhältnis scheint befremdlich

Am Ende aber, als sie sich für oder gegen das Abkommen und damit zwischen Obama und Netanjahu entscheiden musste, stellte sich Merkel auf die Seite des US-Präsidenten. Das Funktionieren des Abkommens hat diesen Schritt im Nachhinein legitimiert, den Riss zwischen Merkel und Netanjahu aber nicht gekittet.

Israels Sorge war verständlich, die Europäer könnten wegen wirtschaftlicher Interessen in Iran blind werden für den wachsenden Einfluss Teherans in der Region und die damit verbundene Bedrohung. Andererseits hat die von Netanjahu bejubelte Kündigung des Abkommens durch Trump auch den Verbund aus Amerikanern, Europäern, Russen und Chinesen gesprengt, der mit Iran über sein Raketenprogramm und die Milizen in Syrien und in Libanon hätte verhandeln können.

Vieles im politischen Verhältnis ist verlässlich und stabil: In der EU verhindert Berlin stets einen kritischeren Ton gegenüber Israel. Und Merkel würde niemals eine Waffenlieferung an Israel untersagen. Aber manches erscheint mittlerweile auch befremdlich: Zum 60. Jahrestag der Staatsgründung Israels sprach Merkel 2008 im israelischen Parlament. Zum 70. in diesem Jahr sprach sie nicht einmal im Bundestag. Deutschland wird demnächst nicht ständiges Mitglied des UN-Sicherheitsrats, weil Berlin seine Bewerbung nicht zugunsten Israels zurückziehen wollte - zwischen anderen Staaten ein normaler Vorgang. Deutschland und Israel aber tut zu viel Normalität nicht gut.

© SZ vom 04.06.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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