Nepotismus in Frankreich:Kleiner Prinz ganz groß

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Caligula wollte sein Lieblingspferd zum Senator erheben, Sarkozy immerhin seinen Sohn zum Chef einer milliardenträchtigen öffentlichen Entwicklungsgesellschaft. Drei Lehren.

Stefan Ulrich, Paris

Paris staunt. Nicolas Sarkozy, der großmächtige, zur Selbstherrlichkeit neigende Präsident der Republik, gibt klein bei. Er lässt den Plan fallen, seinen 23 Jahre alten Sohn Jean zum Chef einer milliardenträchtigen öffentlichen Entwicklungsgesellschaft zu machen.

Nach außen stellt der Sohn den Rückzug jetzt als seine eigene Entscheidung dar. Doch wird der Vater ein gewichtiges Wort mitgeredet haben. So haben die beiden Sarkozys gerade noch einen ehrbaren Ausweg aus dieser unerhörten Nepotismus-Geschichte gefunden. Und die Bürger haben ihren eigenwilligen Staatschef wieder ein bisschen besser kennengelernt.

Erschrecken muss die Franzosen, dass Nicolas Sarkozy überhaupt auf die dreiste Idee kam, seinen Sprössling zu einer Art Thronfolger zu machen und ihn ohne erkennbare Qualifikationen auf einen so einflussreichen öffentlichen Posten zu hieven. Gewiss, es gibt schlimmere Fälle in der Geschichte, etwa das Rom unter Kaiser Caligula, der angeblich sein Lieblingspferd Incitatus zum Senator erheben wollte.

Nur: Frankreich ist kein skandalöses Kaiserreich, sondern eine Republik, die sich besonders der Égalité verschrieben hat, der Gleichheit ihrer Bürger. Deshalb darf Jean kein Petit Prince werden. Sarkozy senior hatte das offenbar vorübergehend vergessen. Er hat damit unfreiwillig jene Kritiker bestätigt, die ihm vorwerfen, maßlos und machttrunken zu sein.

Drei ermunternde Lehren

Doch es lassen sich auch drei ermunternde Lehren aus dieser Affäre ziehen. Erstens: Der Präsident ist lernfähig. Sarkozy merkt, wenn er sich zu sehr verrennt, und korrigiert die Richtung. Das ist nicht selbstverständlich bei Politikern solch ungestümen Charakters; und es zeigt, dass seine Intelligenz größer ist als seine Hybris.

Zweitens: Die Macht im Élysée-Palast lässt sich kontrollieren. Die Öffentlichkeit, die Medien und Politiker aller Couleur haben den Coup der Sarkozys angeprangert und am Ende vereitelt. Auch Zeitungen und Fernsehsender, die dem Präsidenten eigentlich nahestehen, sparten nicht mit Kritik. Darin unterscheidet sich das Frankreich Sarkozys wohltuend vom Italien unter Silvio Berlusconi.

Drittens: Frankreich hat ein neues Polittalent. Jean Sarkozy bewies im Sturm dieser Wochen Courage, Eloquenz, politische Leidenschaft und, am Ende, auch Einsicht. Daher wird er auf Dauer von der Affäre profitieren, die ihn heute so zu beuteln scheint. Denn er ist nun im ganzen Land bekannt, als Sohn des Präsidenten, aber auch als ein verblüffend begabter junger Mann. Manche Franzosen finden, Jean sei doch nur ein Imitat seines Vaters, wenn auch in jung und in blond.

Sie könnten sich irren. Der Junior wirkt schon heute ruhiger, gelassener als der Senior. Noch ist er ein Mann ohne berufliche Meriten. Aber das wird sich ändern. Jean Sarkozy wird schnell lernen. Falls er Geduld übt und dem Übermut der Macht widersteht, könnte er ein großer Politiker werden und Paris noch oft zum Staunen bringen.

© SZ vom 24.10.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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