Nato:Belastung für westliche Bündnispartner

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Die Kurden-Politik des türkischen Präsidenten spaltet die Nato. Der EU-Einfluss auf Ankara ist dabei begrenzt.

Von Stefan Kornelius

Am 7. Juli machte eine hochmögende Reisegruppe ihre Aufwartung in den Büros diverser türkischer Sicherheitspolitiker. Angereist aus Washington waren der Sondergesandte des US-Präsidenten für militante Gruppierungen, John Allen, und eine Unterstaatssekretärin aus dem Verteidigungsministerium, Christine Warmuth. Sie hatten ein Thema: Die türkische Zurückhaltung bei der Bekämpfung der Terrormiliz Islamischer Staat (IS). Etwa zur gleichen Zeit flog der türkische Minister für EU-Angelegenheiten nach Brüssel, um der Kommission zu versichern, dass sein Land nach wie vor an einer Mitgliedschaft in der EU interessiert sei.

Zwei Routine-Termine, zwei Interessen. 14 Tage später, nach dem Bombenanschlag in Suruç, stimmte der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan einer Offensive gegen den IS zu und eröffnete eine zweite Front gegen die militärischen Ableger der Kurdischen Arbeiterpartei PKK. Der Friedensprozess mit den Kurden kollabierte, die Türkei erlebt eine Rückkehr der Gewalt im Land und an den Grenzen.

Die fragile Sicherheitslage hat die westlichen Verbündeten der Türkei in ein Dilemma gestürzt. Welche Risiken trägt die Türkei ins Bündnis? Spielt Ankara ein doppeltes Spiel und unterstützt gar den IS? Entscheidend für Erdoğans Eskalationsbereitschaft waren die USA. Ihnen öffnete der türkische Präsident den Militärflughafen Incirlik für Kampfeinsätze gegen den IS. Erstmals seit 1992 durften wieder US-Flugzeuge von dort aus starten - ein nicht zu unterschätzender Vorteil, der von US-Beobachtern überschwänglich begrüßt wurde. Washington versprach offenbar im Gegenzug, eine von der Türkei kontrollierte Pufferzone entlang der syrischen Grenze zu unterstützen. Belege für entsprechende Absprachen gibt es nicht - allerdings bestreitet auch keine der beiden Seiten entsprechende Ziele. Außerdem nimmt Washington die Offensive gegen die PKK billigend in Kauf.

Die europäischen Verbündeten gewichten den Konflikt anders. Sie unterstellen Erdoğan, dass er die militärische Eskalation aus innenpolitischen Motiven betreibt. Mögliche Neuwahlen oder gar einer Dauerregierung in einem Art Ausnahmezustand im Blick, geht es ihm um die Schwächung der gemäßigten Kurdenpartei. Das Ergebnis ist nun für alle Seiten frustrierend - allerdings nicht für Erdoğan. Der weiß die USA in Sachen IS auf seiner Seite und hat sich dafür offenbar eine Stillhalte-Zusicherung in Sachen Kurden und PKK erkauft. Der Rest der Nato kann ihm dann egal sein. Das Bündnis ist gespalten. Einerseits sorgt es sich um die Macht des IS und will das Bollwerk Türkei festigen. Andererseits missfallen Führungsstil und Kurdenpolitik Erdoğans enorm. Der Einfluss auf Ankara aber ist begrenzt. Die türkische Regierung hat keine wirklichen Ambitionen in der EU mehr. Mit einer Sanktionierung bei den Beitrittsgesprächen lässt sich nicht mehr drohen.

© SZ vom 24.08.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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