Nahost-Verhandlungen:Schatten über Scharm-el-Scheich

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Schlechte Aussichten für die Verhandlungen zwischen Israelis und Palästinensern: Israels Regierung will den Baustopp für die Siedlungen im Westjordanland auslaufen lassen. US-Außenministerin Clinton hat eine schwierige Mission vor sich.

Peter Münch

Über die Feiertage haben sie freundlichste Grüße ausgetauscht: Palästinenserpräsident Machmud Abbas wünschte den Israelis alles Gute zum Neujahrsfest, auf dass das Jahr 5771 nach jüdischem Kalender einen Fortschritt bringe; Israels Präsident Schimon Peres und Premierminister Benjamin Netanjahu meldeten sich in Ramallah mit den besten Wünschen zum Fest des Fastenbrechens am Ende des muslimischen Ramadan.

Schatten des Scheiterns: Israel möchte den Baustopp für jüdische Siedlungen nicht verlängern. Die Palästinenser drohen damit, die Gespräche platzen zu lassen. (Foto: dpa)

Der Beginn neuer Friedensgespräche Anfang September in Washington hat die Stimmung im Nahen Osten offenkundig ein wenig entspannt. Doch am Ende der Feiern steht nun wieder Arbeit. Wie vereinbart treffen sich die Kontrahenten mit US-Außenministerin Hillary Clinton an diesem Dienstag zu einer neuen Verhandlungsrunde im ägyptischen Badeort Scharm-el-Scheich, am Mittwoch folgt die Fortsetzung in Jerusalem. Nach all den Freundlichkeiten ist jetzt mit einem harten Kampf zu rechnen.

Unübersehbar hängt nach der Washingtoner Auftaktfreude über dem neuen Treffen schon der Schatten des Scheiterns, weil es im vorentscheidenden Streit um den israelischen Siedlungsbau zwar Bewegung, aber keine Annäherung gibt.

Die Palästinenser drohen weiter damit, die Gespräche sofort platzen zu lassen, wenn die israelische Regierung den zehnmonatigen Baustopp nicht verlängert, der Ende September ausläuft. Er sei zu keinen Konzessionen bereit, hat Abbas in einem Interview bekräftigt, und wenn man ihn zu etwas zwingen wolle, dann werde er einfach seine "Tasche packen und verschwinden".

Mit aller Macht bemüht sich die US-Regierung deshalb um einen Kompromiss, doch Präsident Barack Obama selbst hat die Erwartungen inzwischen deutlich heruntergeschraubt. Vorbei ist es mit der Beschwörung der Historie, nun geht es um "enorme Hürden, das wird sehr schwer", klagte er. Immerhin aber hat Obama der israelischen Regierung öffentlich die Richtung gewiesen. Es sei "sinnvoll, das Moratorium zu verlängern, solange sich die Gespräche konstruktiv entwickeln".

Als Machtwort jedoch hat man dies in Jerusalem offenbar nicht verstanden. Die Regierung schweigt vielsagend zum Präsidenten-Wort, während die Siedler und ihre politischen Schutzpatrone dies als unbotmäßige Einmischung zurückweisen. Netanjahus Likud-Parteifreund Danny Danon forderte, der Premier solle "Obama daran erinnern, dass Ariel und Beit El keine amerikanischen Städte sind, und er deshalb nicht über einen Baustopp zu entscheiden hat". Sprecher der Siedler machten sich sogleich an den Barrikaden-Bau und warnten, sie würden Netanjahu "den Krieg erklären", wenn er das Bau-Moratorium verlängere.

Zwischen der Drohung der Palästinenser mit einem Abbruch der Friedensgespräche und der Kriegsdrohung der Siedler versucht Netanjahu sich wieder einmal in der Kunst des Lavierens: Bei einem Treffen mit Likud-Ministern erklärte er nach Angaben israelischer Medien, es sei "unmöglich, ein Diktat zum Baustopp zu akzeptieren", aber es sei zugleich notwendig, nach einer "klugen Lösung" zu suchen.

Anschließend ließ er bei einem Gespräch mit Tony Blair, dem Gesandten des internationalen Nahost-Quartetts, eine neue Flexibilität durchblicken - allerdings in engen Grenzen. "Israel kann das Moratorium nicht verlängern", wird der Regierungschef zitiert, "doch wir werden nicht all die Zehntausenden Wohnungen bauen, die in der Planungs-Pipeline warten."

Netanjahu spricht von einem "Mittelweg" zwischen Baustopp und Neubau - konkret dürfte sein Angebot darauf hinauslaufen, dass die Arbeiten in den großen Siedlungsblöcken im Westjordanland wieder aufgenommen werden, die nach Jerusalemer Vorstellung ohnehin in einem Abkommen mit den Palästinensern Israel zugeschlagen werden sollen. In anderen Siedlungen des Westjordanlands soll dagegen stillschweigend Zurückhaltung geübt werden.

Netanjahu könnte sich bei einer solchen Handhabe auf das Beispiel seiner Vorgänger-Regierungen berufen. Auch unter Premier Ehud Olmert waren parallel zu den Friedensverhandlungen pro Jahr etwa 2000 Wohneinheiten in den Siedlungen gebaut worden.

Die Palästinenser jedoch dürften sich damit kaum zufriedengeben. Sie wollen dem Siedlungsbau endgültig einen Riegel vorschieben, nachdem sich die Zahl der Siedler im Westjordanland von Beginn des Oslo-Friedensprozesses 1993 bis heute fast verdreifacht hat - auf 300.000. Dazu kommen noch einmal 200.000 Israelis im arabischen Ostteil von Jerusalem.

US-Außenministerin Clinton wird als Vermittlerin in Scharm-el-Scheich und in Jerusalem viel zu tun haben, um die Gräben zu überbrücken. Eingeschoben in ihren straffen Zeitplan hat sie am Mittwoch auch noch ein Treffen mit ihrem israelischen Kollegen Avigdor Lieberman. Am Verhandlungstisch lässt sich dieser nicht blicken, viel lieber erklärt er parallel zu den Gesprächen, dass er ohnehin nicht an ein Abkommen mit den Palästinensern glaubt.

Er wird Clinton gewiss auch erklären wollen, warum in den Siedlungen weitergebaut werden muss. Schließlich lebt er selbst mitten im Westjordanland und räsoniert bisweilen darüber, dass ein Friedensvertrag auch seiner Familie das traute Heim zu nehmen drohe. Doch wenn Clinton diesen Argumenten folgt, dann könnte die zweite Verhandlungsrunde im neuen Friedensprozess schon die letzte sein.

© SZ vom 14.09.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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