Greta Wehner:Eine echte Sozialdemokratin

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Seit 1947 war Greta Wehner SPD-Mitglied. (Foto: Regina Schmeken/SZ)

Greta Wehner war Stieftochter und Ehefrau von Herbert Wehner, dem "Zuchtmeister" der SPD. Es dürfte bald kaum jemanden geben, der länger Parteimitglied war als sie. Nun ist die 93-Jährige gestorben.

Von Willi Winkler

Herbert Wehner, der heute legendäre Zuchtmeister der SPD und ihrer Bundestagsfraktion, die er zwölf Jahre mit seinem gnadenlosen Maulwerk regierte, hatte nur zwei Schwächen: In seiner Jugend war er Anarchist und er litt früh unter Diabetes. Die ungezügelte Freiheit, für die er sich im Kreis von Erich Mühsam begeistert hatte, nahm ihm das strenge Regime der KPD, gegen die tückische Zuckerkrankheit half nur Greta Burmester.

Sie war die 1924 geborene Tochter von Wehners Frau Charlotte. Ihr Vater wurde von der Gestapo umgebracht, Greta floh 1937 mit Mutter und Bruder nach Schweden. Dort langte 1941 auch Herbert Wehner an, der die Nazis in Deutschland und in Moskau Stalins Hotel Lux überlebt hatte. Greta lernte Säuglingsschwester, Wehner heiratete 1944 ihre Mutter. 1947 kehrte die Familie nach Deutschland zurück, wo Greta in die Erwachsenenbetreuung wechselte.

Ganz gelang ihr die Abnabelung von der Familie nie, dafür war sie zu sehr an die Arbeit für andere gewöhnt. Ihre Mutter erkrankte an den Spätfolgen der KZ-Haft und brauchte Betreuung. Auch ihr Stiefvater verließ sich darauf, dass sie als seine Köchin und Sekretärin wirkte. Die Freiheit, die ihr der Führerschein verschafft hatte, machte sie sofort unfrei, nämlich zur Chauffeuse Wehners, der in der Nachkriegs-SPD unverzichtbar wurde; nur dass auch er bald nicht mehr ohne seine Stieftochter sein konnte.

1966, als Wehner die SPD endlich regierungsfähig gemacht hatte, erkrankte er an Diabetes. Ohne die Betreuung durch seine Stieftochter hätte er seinen viel gerühmten Dienst an der Partei nicht verrichten können. Greta bestrich seine Butterbrote und portionierte sie mit der Diätwaage. Inzwischen verwitwet, heiratete er seine Greta, die ihm bis zu seinem Tod 1990 unerschütterlich beistand. Seit 1947 war sie SPD-Mitglied; es dürfte bald kaum jemanden geben, der länger dabei war. Die Arbeiterklasse gibt es lange nicht mehr, aber am 23. Dezember ist in Dresden eine echte Sozialdemokratin gestorben. Greta Wehner wurde 93 Jahre alt.

© SZ vom 29.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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