Nach Entführung von Iranern in Syrien:Assads engstem Verbündeten kommen Zweifel

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Sie stoppten den Bus, nahmen die Männer als Geiseln und führten sie in einem Video vor. Seit dem Wochenende haben syrische Rebellen 48 Iraner in ihrer Gewalt. Die Konsequenz: Das Regime in Teheran streitet offenbar darüber, ob es Syriens Machthaber Assad weiter stützen soll.

Paul-Anton Krüger

Iran hat seine besten Unterhändler losgeschickt, schon das mag ein Zeichen sein, wie ernst Teheran die Situation einschätzt. Beim syrischen Verbündeten wurde am Dienstag Said Dschalili zur Audienz bei Präsident Baschar al-Assad vorstellig; das Staatsfernsehen zeigte die Bilder des Treffens, es sind die ersten Aufnahmen von Assad seit gut zwei Wochen.

Die iranischen Geiseln sind noch immer in der Gewalt der syrischen Rebellen. Iran fordert nun die Freilassung der gefangen genommenen Landsleute. Wird das iranische Regime Syriens Machthaber Assad weiter stützen? (Foto: AP)

Dschalili, Sekretär des Nationalen Sicherheitsrats, der sich zugleich Persönlicher Repräsentant des Obersten Führers Ali Chamenei nennen darf, vertritt das Regime auch in den internationalen Atomverhandlungen. In der Türkei, die Teheran mittlerweile kaum mehr zu seinen Freunden rechnen dürfte, hatte sich für den Abend Außenminister Ali Akbar Salehi angekündigt. Er wollte seinen Kollegen Ahmet Davotoglu treffen - auf eigenen Wunsch, wie die Türken betonten. Sowohl in Damaskus als auch in Ankara wollten die iranischen Emissäre darauf dringen, dass ihre 48 Landsleute freikommen, die sich in der Hand syrischer Rebellen befinden.

Die Aufständischen hatten am Wochenende den Bus der Gruppe nahe Damaskus in ihre Gewalt gebracht und die Gefangenen - dem Augenschein nach alles Männer mittleren Alters - im Fernsehen vorgeführt. Die Rebellen beschuldigen sie, Angehörige der iranischen Revolutionsgarden zu sein, die an der Seite von Assads Truppen gegen den Aufstand kämpfen würden. Um die Vorwürfe zu untermauern, hielten sie iranische Militär-Ausweise in die Kameras. Irans Regierung behauptet hingegen, es handele sich um unschuldige Pilger; die Dokumente belegten lediglich die Entlassung der Männer aus dem Militärdienst.

Das Außenministerium in Teheran bestellte nach eigenen Angaben den Schweizer Botschafter an, der in Iran die Interessen der USA vertritt. Man habe ihm mitgeteilt, Washington sei für das Schicksal der Gruppe verantwortlich, weil es die Rebellen unterstütze. Von Katar, das den Aufstand mit Geld und angeblich auch Waffen befeuert, verlangt Teheran ebenso Vermittlung in dem Fall wie von der Türkei, die der Freien Syrischen Armee, einer aus Deserteuren rekrutierten Rebellentruppe, erlaubt, von ihrem Territorium aus zu operieren.

Die Rebellen drohen, weitere Geiseln umzubringen

Drei der gefangenen Iraner sind nach Darstellung der Rebellen bei einem Luftangriff syrischer Regierungstruppen schon ums Leben gekommen. Und die Aufständischen drohten am Montag unverhohlen, falls die Attacken nicht aufhörten, würden sie die verbliebenen Geiseln töten.

Offiziell dementiert Iran, etwa in Person von Verteidigungsminister Ahmed Vahidi, überhaupt militärisch in Syrien aktiv zu sein. Ein General der Revolutionsgarden hatte allerdings Ende Mai der halbstaatlichen Nachrichtenagentur Isna bestätigt, Angehörige der für Auslandseinsätze zuständigen Eliteeinheit Quds-Brigaden würden in Syrien "dazu beitragen, einen Genozid zu verhindern".

Manches spricht dafür, dass auch die angeblichen Pilger nicht so unschuldig sind, wie Teheran glauben machen möchte, Beweise dafür gibt es freilich keine. Westliche Geheimdienste sehen es aber als gesichert an, dass die Iraner den Syrern zumindest mit Beratern zu Hand gehen und auch die Geheimdienste Assads unterstützen. Flüchtlinge berichten zudem immer wieder, ihnen seien bei Kampfhandlungen Iraner begegnet.

In Iran selbst soll es inzwischen eine heftige Kontroverse innerhalb der Führung des Regimes geben, ob das Festhalten an Assad und die Unterstützung für sein Regime noch die richtige Strategie ist. Das berichtete ein westlicher Diplomat aus der Region der Süddeutschen Zeitung, der Zugang zu entsprechenden Geheimdienstinformationen hat. Nach seinen Angaben gab es in den vergangenen Wochen mehrere heftige Debatten in Irans Nationalen Sicherheitsrat Irans darüber, der Chamenei eine Empfehlung unterbreiten soll.

Dschalili soll dafür geworben haben, sich auch "auf den Tag danach" vorzubereiten, also auf einen möglichen Sturz des Assad-Regimes. Und zu diesem Zeitpunkt waren weder der syrische Premier Riad Hidschab noch der Assad nahestehende General Manaf übergelaufen. Ähnlich wie Außenminister Salehi bei einem anderen Treffen habe er sich dafür eingesetzt, auch Kontakte zu "freundlichen Elementen" in Syrien aufzunehmen, die entweder nicht zum Kern des Regimes gehören oder gar der Opposition nahestehen.

Das Außenministerium in Teheran bemüht sich seit Sommer 2011, mögliche neue politische Führer außerhalb von Assads engstem Machtzirkel zu identifizieren; in Paris kam es zu vereinzelten Treffen iranischer Diplomaten mit Vertretern der syrischen Opposition. Zugleich befürworten die beiden, die Unterstützung für Assad zu beschneiden.

Die Gegenposition vertrat laut dem Diplomaten der Geheimdienstchef der Revolutionsgarden, Hossein Taeb und auch Geheimdienstminister Heidar Moslehi. Sie sollen sich für die Lieferung weiterer leichter Waffen und Artillerie ausgesprochen haben. Zwar seien schon etwa 15 000 syrische Soldaten desertiert, die Stabilität des Regimes sei aber noch nicht entscheidend gefährdet. Besser jetzt handeln, bevor es zu spät ist, soll ihre Devise gewesen sein. Die Angaben lassen sich im Detail nicht nachprüfen, doch sind sie durchaus plausibel, wie der Iran-Experte Walter Posch von der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin sagt. Es gebe seit mindestens einem Jahr eine Kontroverse über die Syrien-Politik in Iran, sagt er. Bislang lässt sich jedoch kein Kurswechsel in Teheran ausmachen.

Ayatollah Chamenei, mächtigster Mann in Iran, betonte erst jüngst: "Wir werden die syrische Regierung weiterhin unterstützen, besonders wegen ihres Widerstands gegen das zionistische Regime", Irans abwertende Bezeichnung für den Erzfeind Israel.

© SZ vom 08.08.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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