Osama bin Laden: Pakistan und USA im Streit:Partner in der Grauzone

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Ob Pakistan mit Terrorchef Bin Laden gemeinsame Sache gemacht hat, ist nicht bewiesen. Fest steht aber: Das Vertrauen der US-Regierung ist weg. Dabei ist Pakistan für Amerika als Verbündeter unersetzlich.

Tobias Matern

Der Angeklagte geht zum Angriff über. Nicht nur Pakistan, die ganze Welt habe im Fall von Osama bin Laden versagt. Den Vorwurf gegen sein Land, mit dem Terrorchef gemeinsame Sache gemacht zu haben, findet Jusuf Raza Gilani absurd. Pakistans Premier hielt eine Woche nach der - für sein Land blamablen - Aktion von Abbottabad eine kühne Verteidigungsrede.

Pakistans Premier Gilani wehrte sich gegen die Vorwürfe, bin Laden geschützt zu haben. (Foto: AP)

Aus innenpolitischer Sicht sind Gilanis Worte zumindest zum Teil verständlich. Pakistan steht weltweit am Pranger, nun massiert der Regierungschef die geschundene Seele des muslimischen Landes. Selbstkritik und echter Wille zur Aufklärung müssten die Tage nach der Abbottabad-Aktion dominieren, doch dafür ist die Wut im Volk über den US-Eingriff zu groß.

Gilanis Worte sind dennoch bemerkenswert. Seine Zivilregierung steht außenpolitisch viel weniger in der Schusslinie als der übermächtige Sicherheitsapparat. Militär und Geheimdienst haben versagt.

Wenn wirklich keiner der Generäle und Agenten wusste, wer da fünf Jahre lang hinter den Mauern des dreistöckigen Hauses in Abbottabad lebte, hat das mit Milliardensummen hochgepäppelte militärische Establishment seinen Auftrag verfehlt.

Und falls jemand wusste, dass Amerikas Staatsfeind Nummer eins gut gesichert in der Garnisonsstadt residierte, ist Pakistan als Partner für Washington eigentlich unbrauchbar. Das sowieso schon geringe gegenseitige Vertrauen wäre dann völlig zerstört.

Die Wahrheit liegt wohl in einer Grauzone. Es gab ganz sicher keine offizielle Weisung aus Islamabad, Bin Laden zu verstecken, aber vereinzelte Verbindungen von Vertretern des Geheimdienstes zu Extremisten sind nach amerikanischer Überzeugung in Pakistan nicht ungewöhnlich - etwa um die Nachkriegsordnung in Afghanistan zu beeinflussen.

Der Premier hat mit der Rede vor dem Parlament eine große Chance verpasst. Seine zivile Regierung müsste sich dringend aus dem Würgegriff des Militärs lösen, das Pakistans Außen- und Sicherheitspolitik bestimmt. Die Gelegenheit dazu wäre nach dem Abbottabad-Desaster günstig.

Denn seit dem Tod Bin Ladens geschehen für pakistanische Verhältnisse unerhörte Dinge. Die Medien kritisieren offen den Armee- und Geheimdienstchef, sogar Rücktrittsrufe werden laut. Diese Forderung ist durchaus berechtigt, Gilanis Regierung aber weist sie aus falscher Loyalität zurück.

Für die USA bleibt Pakistan so ein schwieriger Partner ohne natürliches Machtzentrum. Washington droht damit, die Zahlungen an den Verbündeten einzuschränken und kritisiert Islamabad Tag für Tag öffentlich. Das sind verständliche Reflexe, sie sind aber wenig hilfreich. Wenn sich das muslimische Land auf Feindbilder verständigen kann, dann ist das neben dem Erzrivalen Indien die Regierung der USA. Die Tötung Bin Ladens hat dieses Gefühl weiter verstärkt.

Als Verbündeter ist Pakistan trotzdem unersetzlich, vor allem wenn die USA ihren Abzugsplan aus Afghanistan einhalten wollen. Die Chancen auf einen Frieden mit den Taliban dort sind durch den Tod Bin Ladens zumindest ein wenig gestiegen. Der Westen fordert, dass sich die Islamisten von al-Qaida lossagen. Für die Taliban am Hindukusch ist dies nun einfacher geworden, seit der Anführer des Terrornetzes nicht mehr lebt.

Dennoch war es ein Fehler, Osama bin Laden in der dramatischen Nacht von Abbottabad gezielt zu töten. Ihn festnehmen zu lassen, wäre für den Friedensnobelpreisträger Barack Obama vielleicht ohne große Probleme möglich gewesen. Vor den Augen der Weltöffentlichkeit hätte der Al-Qaida-Chef dann einen ordentlichen Prozess und seine gerechte Strafe bekommen.

Amerika hätte auf dem juristischen Weg Vergeltung üben können und wäre über allen Zweifel erhaben, es mit dem Völkerrecht nicht so genau zu nehmen. Auch die notwendige Kritik an Pakistan fiele dann noch glaubwürdiger aus.

© SZ vom 11.05.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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