Myanmar:Heldin a. D.

Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi verrät ihre früheren Überzeugungen, um sich mit dem Militär zu arrangieren.

Von Tobias Matern

Vor nicht allzu langer Zeit wären ihr Ovationen sicher gewesen, die Weltgemeinschaft hätte sich vor ihr verneigt. Doch nun kommt Aung San Suu Kyi, die faktische Regierungschefin Myanmars, gar nicht erst zur Generalversammlung der Vereinten Nationen. Die Friedensnobelpreisträgerin nennt für ihr Fernbleiben innenpolitische Gründe: die Rohingya-Krise in ihrem Land.

Suu Kyis Schweigen zum brachialen Umgang myanmarischer Sicherheitskräfte mit der muslimischen Minderheit rügen nicht nur andere Nobelpreisträger, sondern auch der UN-Menschenrechtskommissar. Er spricht von einem "Paradebeispiel für ethnische Säuberungen".

Aung San Suu Kyi war als Widerstandskämpferin eine Heldin. Sie erduldete den jahrelangen Hausarrest, wählte nicht den bequemeren Gang ins Exil. Ihr und ihren unbeugsamen Weggefährten ist es zu verdanken, dass Myanmars Generäle vor einigen Jahren begannen, dem Land erste demokratische Reformen zu verpassen.

Aber nun sitzt die einstige Hoffnung eines ganzen Landes mit an der Macht, und sie sucht einen pragmatischen Umgang mit dem nach wie vor mächtigen Militär. Dafür lässt sie alte Überzeugungen hinter sich - wie das Eintreten für Menschenrechte und den humanen Umgang mit Minderheiten. Wenn sie zur UN-Generalversammlung käme, hätte sie für ihre Leistung als Politikerin keine Ovationen verdient - sondern Buhrufe.

© SZ vom 14.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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