Mord an Journalistin Politkowskaja:Ermittler haben Mörder offenbar identifiziert

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Ein Jahr nach dem Mord an der Journalistin Anna Politkowskaja ist die Tat offenbar aufgeklärt - doch die Anklage gegen den Mörder lässt auf sich warten.

Der Mörder der vor einem Jahr erschossenen Journalistin Anna Politkowskaja ist den Ermittlungen zufolge den russischen Behörden bekannt.

Er sei aber noch nicht angeklagt worden, sagte Chefermittler Petros Garibian in einem Interview der Nowaja Gaseta - der Zeitung, für die Politkowskaja gearbeitet hatte.

Garibian verwies zur Begründung auf die Komplexität des russischen Rechtssystems und den Druck, der sowohl von Seiten der Behörden als auch von der russischen Öffentlichkeit in diesem Fall ausgeübt werde.

Garibian sagte nicht, ob der Verdächtige in Haft ist und warum noch keine Anklage gegen ihn erhoben wurde.

Der Mordfall sei für seine Begriffe "aufgeklärt", sagte Garibian. "Aber es ist etwas anderes, die gesamte Auftragskette vom Drahtzieher bis zum Täter herauszubekommen." Dem Gericht müssten "unbezweifelbare Beweise" vorgelegt werden. Politkowskaja war am 7. Oktober 2006 vor ihrer Wohnung in Moskau von Unbekannten erschossen worden.

Garibian sagte, der Mord an Politkowskaja sei wahrscheinlich politisch motiviert und stehe in Zusammenhang mit ihrer journalistischen Arbeit. Er verwies auf Parallelen zum Mord an Paul Klebnikow, dem Chefredakteur der russischen Forbes-Ausgabe. Klebnikow war 2004 ermordet worden.

Einige Personen, die in Zusammenhang mit den Ermittlungen zu der Tat befragt worden seien, seien beim Mord an Politkowskaja wieder aufgetaucht. Es sei aber noch zu früh, um über eine deutliche Verbindung zwischen den beiden Morden zu sprechen.

Insgesamt elf Verdächtige

Garibian sagte, insgesamt liefen Ermittlungen gegen elf Verdächtige, doch sei die Liste "nicht abgeschlossen". Ob der mutmaßliche Täter zu den rund zehn Festgenommenen zählt, wollte Garibian nicht erläutern. Derzeit ist nicht bekannt, wie viele von ihnen bereits wieder auf freiem Fuß sind.

Die große öffentliche Aufmerksamkeit für den Fall sei "störend", sagte Garibian. In Westeuropa hätten die Justizbehörden viel bessere Möglichkeiten als in Russland. Dort würden sofort Experten eingeschaltet, aber "bei uns dauert das Monate", sagte der Ermittlungsrichter.

Zum ersten Jahrestag der Ermordung Politkowskajas am 7. Oktober 2006 hatten am Sonntag in Moskau Freunde und Kollegen an die regierungskritische Journalistin erinnert. Sie forderten eine vollständige Aufklärung der Tat. Die Äußerungen Garibians dürften den Verdacht unter den Anhängern Politkowskajas schüren, dass der Fall weiter von der Aufklärung entfernt ist als es die russische Staatsanwaltschaft bisher der Öffentlichkeit vermittelt hat.

Politkowskaja galt als eine der schärfsten Kritikerinnen des russischen Präsidenten Wladimir Putin. Sie hatte auch über das Vorgehen der Sicherheitskräfte in Tschetschenien berichtet. Die zweifache Mutter war im Alter von 48 Jahren ermordet worden. Ihre Ermordung fiel auf den Geburtstag Putins. Ihre Anhänger vermuten, dass Sicherheitskreise und offizielle Stellen in die Tat verstrickt sind. Die Regierung hat diesen Verdacht zurückgewiesen.

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