Mindestlohn:Nahles kommt Arbeitgebern entgegen

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Das Schaustellergewerbe wird profitieren, da Arbeitgeber über die Arbeitszeiten von Eltern oder Kindern nicht Buch führen müssen. (Foto: Robert Haas)

Die Arbeitsministerin lockert die Vorschriften beim Mindestlohn - der CSU reicht das jedoch lange nicht.

Von Thomas Öchsner, Berlin

Am Anfang gab es düstere Prognosen. Mehrere Hunderttausend Arbeitsplätze werde der Mindestlohn kosten, warnten Ökonomen. Nun, genau ein halbes Jahr nach der Einführung der gesetzlichen Lohnuntergrenze von 8,50 Euro, zeigt sich: Die Zukunftsszenarien sind wohl etwas zu düster ausgefallen. "Es gibt keine Auswirkungen in dem Sinne, dass in der Summe Jobs verloren gehen", sagt der Vorstandschef der Bundesagentur für Arbeit, Frank-Jürgen Weise. Es gebe weniger Minijobs, die Verluste bei den 450-Euro-Stellen habe die Wirtschaft aber wieder ausgeglichen. Auch Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) ist zufrieden: "Der Mindestlohn trage zu "mehr Gerechtigkeit" und einem "fairen Wettbewerb" bei. Trotzdem bessert Nahles jetzt bei ihrem Prestigeprojekt nach - und kommt der Wirtschaft entgegen, zumindest ein bisschen.

Arbeitgeber sind wegen des Mindestlohns verpflichtet, für bestimmte Arbeitnehmer genau aufzuschreiben, wann und wie lange diese täglich arbeiten, um ein Unterlaufen der 8,50 Euro zu verhindern. Dies gilt aber nur für Mitarbeiter in neun Branchen, die als besonders anfällig für Schwarzarbeit gelten. Dazu zählt etwa das Baugewerbe, das Hotel- und Gaststättengewerbe oder die Fleischwirtschaft.

Bei manchen Beschäftigen müssen Betriebe die Arbeitszeiten nicht mehr aufzeichnen

Trotz dieser Beschränkung lief die Wirtschaft, die CSU und vor allem der wirtschaftsnahe Flügel der CDU dagegen Sturm. Dabei ging es auch um die Gehaltsgrenze: Die Aufzeichnungspflichten gelten in den neun Branchen für Mitarbeiter, die nicht mehr als 2958 Euro im Monat verdienen. Der Wert klingt hoch, kommt man doch mit dem Mindestlohn und einer normalen Arbeitswoche auf etwa 1480 Euro im Monat brutto. Das Arbeitsministerium rechnete jedoch vor, dass die 2958 Euro durchaus erreichbar seien, etwa für Saisonarbeitskräfte "mit extrem vielen Überstunden". Die Wirtschaftsverbände hielten dies schlicht für realitätsfern.

Nun macht Nahles die Ausnahme von der Ausnahme: Die Auflage, die Arbeitszeiten zu dokumentieren, soll entfallen, wenn das regelmäßige Entgelt in den letzten zwölf Monaten mindestens 2000 Euro brutto betragen hat. Für Saisonbeschäftigte und Minijobber im gewerblichen Bereich bleibt es bei der Aufzeichnungspflicht. Damit habe man die Vorschriften nur bei einer Gruppe gelockert, "bei der wir sicher sein können, dass sie den Mindestlohn bekommen", sagt Nahles. Zugleich kündigte sie an, bei der Beschäftigung von Ehegatten, Kindern und Eltern des Arbeitgebers auf die Aufzeichnungspflichten zu verzichten. Davon dürften vor allem Betriebe in der Landwirtschaft oder im Schaustellergewerbe profitieren. Die Ministerin will die gelockerten Vorschriften spätestens kommende Woche per Verordnung auf den Weg bringen.

Auch in einer anderen Frage geht Nahles auf die Kritik ein: Die Vorschriften, wann ein Unternehmen dafür haften muss, dass sich eingeschaltete Sub-Unternehmen ebenfalls an den Mindestlohn halten, werden gelockert. Haften soll der Generalunternehmer nur dann, "wenn eigene vertraglich übernommene Pflichten weitergegeben werden". Damit sei in den meisten Fällen sichergestellt, dass wegen des Mindestlohns keine Auftraggeberhaftung gelte, sagt Nahles. Dies wolle sie nun mit dem Finanzministerium klarstellen.

CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeld ist damit aber noch nicht zufrieden. "Für uns ist die Sache mit den jetzt angekündigten Lockerungen nicht erledigt", sagte sie der Nachrichtenagentur Reuters. Die CSU sehe weiter Korrekturbedarf, etwa beim Ehrenamt. Dafür ist Nahles offen: Mit Justizminister Heiko Maas (SPD) will sie die Ehrenämter, für die die 8,50 Euro nicht gelten, juristisch stärker vom Mindestlohn abgrenzen.

© SZ vom 01.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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