Migration:Die Flucht ins Chaos

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Auf der Balkanroute sind so viele Menschen unterwegs wie nie. Wegen "massiver Überlastung" stoppt Österreich den Zugverkehr zwischen Wien und Budapest.

Von Jan Bielicki und Susi Wimmer, München

Die Flucht Tausender Menschen aus dem Nahen Osten führt an den innereuropäischen Grenzen zu teilweise chaotischen Zuständen. Die österreichische Bundesbahn stellte am Donnerstag den Zugverkehr zwischen Österreich und Ungarn ein. Als Grund nannte das Unternehmen die "massive Überlastung" der aus Ungarn kommenden Züge. Diese seien "dermaßen überfüllt, dass wir sie auf keinen Fall weiterfahren lassen können", sagte ein Konzernsprecher in Wien. In der Nacht zum Donnerstag waren nach Angaben der österreichischen Polizei mehr als 3000 Flüchtlinge über die ungarisch-österreichische Grenze gekommen.

Auch weiter südlich sind entlang der sogenannten Balkanroute Tausende Menschen Richtung Mitteleuropa unterwegs. Aus den Transitländern wurden am Donnerstag neue Höchstzahlen gemeldet. Ungarns Polizei registrierte am Mittwoch 3321 neu eintreffende Flüchtlinge, so viele wie noch nie innerhalb eines Tages. Laut dem serbischen Staatsfernsehen sollen binnen 24 Stunden sogar 5000 Migranten an der mit einem Stacheldrahtzaun gesicherten Grenze nach Ungarn eingetroffen sein.

Weitere 7000 Menschen überquerten am Donnerstag bei strömendem Regen die Grenze von Griechenland nach Mazedonien. Die griechische Polizei sprach von der größten Flüchtlingswelle bislang. Die mazedonische Regierung erwägt nun den Bau eines Grenzzaunes, wie er in Ungarn bereits steht. Sein Land denke über "eine Art physische Verteidigung" nach, sagte Außenminister Nikola Poposki.

In München stellten sich die Behörden auf die Ankunft Tausender Asylsuchender ein. Prognosen wollten sie mit Blick auf die Lage an der österreichisch-ungarischen Grenze nicht abgeben: "Ob das Entspannung bringt, oder ob sich alles staut und plötzlich massenhaft Flüchtlinge hier ankommen, kann ich nicht sagen", sagte Oberbayerns Regierungspräsident Christoph Hillenbrand. Drei Züge mit etwa 350 Migranten erreichten am Donnerstag Passau. Die dänische Polizei ließ am Donnerstag wieder Züge aus Deutschland passieren, in denen Flüchtlinge saßen. Am Mittwoch hatte sie den Bahnverkehr zwischen beiden Ländern unterbrochen, nachdem seit Sonntag 3200 Flüchtlinge ins Land gekommen waren. Die meisten von ihnen wollten weiter nach Schweden und sich nicht von den Dänen registrieren lassen. Mit Blick auf die hohen Flüchtlingszahlen sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel der Rheinischen Post: "Das Grundrecht auf Asyl für politisch Verfolgte kennt keine Obergrenze. Das gilt auch für die Flüchtlinge, die aus der Hölle eines Bürgerkriegs zu uns kommen." Das Europaparlament stellte sich am Donnerstag hinter den Plan des EU-Kommissionspräsidenten Jean-Claude Juncker, 160 000 Flüchtlinge aus Griechenland, Italien und Ungarn auf die anderen Mitgliedstaaten zu verteilen. Europa brauche einen "fairen, obligatorischen Verteilungsschlüssel", heißt es in einer Entschließung von Christdemokraten, Sozialdemokraten, Liberalen und Grünen. Der Beschluss ist aber nicht verbindlich, über die Flüchtlingspolitik entscheiden die Mitgliedstaaten. Vor allem in Osteuropa stößt Junckers Plan auf Ablehnung.

Rumäniens Präsident Klaus Johannis kündigte an, verpflichtenden Quoten "keinesfalls" zuzustimmen.

© SZ vom 11.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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