Mexiko:Wer recherchiert, stirbt

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Drogenkartelle und Teile des Staatsapparates machen in dem Land Jagd auf Reporter. Nicht selten endet sie tödlich, und die allermeisten dieser zahlreichen Verbrechen werden auch niemals juristisch aufgeklärt.

Von Boris Herrmann

Am vergangenen Montagmorgen brachte Francisco Pacheco Beltrán, 49, seine beiden Kinder zum Schulbus. Der oder die Mörder erwarteten ihn bei seiner Rückkehr vor der Haustür. Mit zwei Schüssen wurde der mexikanische Journalist getötet. Am Tatort fanden sich Patronenhülsen vom Kaliber neun Millimeter. Pacheco Beltrán war der Gründer einer Lokalzeitung in seiner Heimatstadt Taxco de Alarcón im Bundesstaat Guerrero. Er arbeitete auch als Radiomoderator und Blogger. Sein letzter Blogeintrag stammt vom 25. April, seinem Todestag. Da ging es um eine wilde Schießerei zwischen der Polizei und einer Drogengang in Acapulco, der größten Stadt Guerreros. Wen der Journalist mit seiner Arbeit verärgert hatte, wer ihn für immer zum Schweigen bringen wollte, wurde bislang nicht aufgeklärt. Und höchstwahrscheinlich wird es dabei auch bleiben. Das zeigt die Erfahrung.

Mexiko ist eines der tödlichsten Länder der Welt für kritische und investigative Berichterstatter. Laut dem aktuellen Barometer der Pressefreiheit von "Reporter ohne Grenzen" sind 2016 bereits vier mexikanische Journalisten ermordet worden - einfach, weil sie ihre Arbeit machten. Der Fall von Pacheco Beltrán ist so frisch, dass er noch gar nicht in dieser Statistik auftaucht. Er ist der fünfte.

Längst ist klar, dass es sich nicht um eine Ansammlung von Einzelfällen handelt, sondern ein System. Vor allem Reporter, die im mexikanischen Drogenmilieu recherchieren und über die traditionelle Verstrickung lokaler Behörden mit den Kartellen berichten, werden gezielt bedroht und eingeschüchtert. Wer sich nicht einschüchtern lässt, der spielt mit seinem Leben. Nicht selten scheinen die Auftragskiller ganz bewusst in aller Öffentlichkeit vorzugehen, um Exempel zu statuieren. Immer wieder werden Leichen von Journalisten und Journalistinnen gefesselt, misshandelt oder geköpft im Straßengraben gefunden.

Nach Zählung der Menschenrechtsorganisation "Artículo 19" wurden in den vergangenen 15 Jahren in Mexiko mehr als 90 unbequeme Rechercheure getötet, weitere 23 sind demnach spurlos verschwunden. Fast ebenso beklemmend ist aber folgende Zahl: Rund 90 Prozent dieser Verbrechen bleiben ungesühnt.

Aus Sicht der Drogenbosse, aber mutmaßlich auch nach Meinung vieler Polizisten und Provinzbürgermeister ist nur ein toter Journalist ein guter Journalist. Wie gering in höheren politischen Kreisen das Interesse an freier Berichterstattung ist, zeigt der Fall von Javier Duarte, Gouverneur des Bundesstaats Veracruz. Nach einer Reihe von Journalistenmorden in seinem Verwaltungsgebiet gab Duarte den lokalen Medienvertretern den kurzen, aber unmissverständlichen Ratschlag: "Be-nehmt euch!"

© SZ vom 30.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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