Mexiko:Der Wahlsieg geht an   "El Bronco", das Raubein

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Jaime Rodríguez Calderón, 57, gibt dem Verdruss über die etablierten Großparteien ein Gesicht. (Foto: Julio Cesar Aguilar/AFP)

Erstmals ist in Mexiko ein Unabhängiger Gouverneur geworden. Er gibt dem verbreiteten Frust mit den Parteien ein Gesicht.

Von Boris Herrmann, Buenos Aires

Was Jaime Rodríguez Calderón, 57, von der mexikanischen Politik hält? Um es mit seinen (selten familienfreundlichen) Worten zu sagen: Er findet sie zum Kotzen. Das System ist seiner Meinung nach baufällig, die Regierungspartei PRI von Präsident Enrique Peña Nieto genauso ignorant und korrupt wie ihre Konkurrenz. Rodríguez hat Mexikos Politiker in den vergangenen Wochen unzählige Male öffentlich verflucht, und es störte ihn dabei nicht im Geringsten, dass er - erstens - selbst ein Politiker ist und dass er - zweitens - auf 33 Jahre Mitgliedschaft in der PRI zurückblickt. Ende 2014 trat er aus der Partei aus. Seither bezeichnet er sich als Systemgegner. Und jetzt ist er der große Gewinner dieses Systems.

Bei den Zwischenwahlen am vergangenen Sonntag konnte Jaime Rodríguez Cal-derón als erster parteiloser Kandidat in der Geschichte Mexikos einen Gouverneursposten erobern. Er siegte im Bundesstaat Nuevo León mit 25 Prozentpunkten vor der PRI-Kandidatin, deren Partei dort 80 Jahre lang fast ununterbrochen regiert hatte. Er nennt sich "El Bronco", das Raubein. Der Name war sein Wahlprogramm. Er trat mit Hut, Leder-Gilet, Jeans und Stiefel auf, als Cowboy, der sich mit dem Establishment anlegt. Damit traf er offensichtlich den Nerv einer höchst politikverdrossenen Gesellschaft, und zwar keineswegs nur in Nuevo León. Binnen 90 Kampagnentagen, in denen er praktisch nicht vom Pferd stieg, hat es El Bronco zum politischen Westernhelden gebracht.

Eine absolute Mehrheit der Mexikaner sagt, dass sie keiner der etablierten Par-teien vertraut. Und El Bronco ist der Mann, der diesem Gefühl ein Gesicht gibt. Innerhalb kürzester Zeit hat er 750 000 Fans bei Facebook und 110 000 Follower bei Twitter zusammengetrommelt. Kommentatoren sprechen von einer regelrechten Broncomania, einige sehen ihn bereits als kommenden Präsidentschaftskandidaten für 2018. Rodríguez hat jedenfalls bewiesen, dass es auch ohne Parteibuch geht, vielleicht gerade deshalb. Die Zeitung Excelsior bewertet seinen Sieg als "game changer" für Mexikos Demokratie.

Ob er das alte Spiel aber wirklich verän-dern kann, muss sich erst noch erweisen. Mit vulgärer Sprache, unorthodoxen Me-thoden und wahltaktischem Kalkül hat El Bronco in Nuevo León das gesamte Parlament, nahezu alle Bürgermeister und vermutlich auch die meisten Gangster gegen sich aufgebracht. Sein Bundesstaat mit der Hauptstadt Monterrey grenzt an Texas und wird sowohl von großen Konzernen als auch von mächtigen Drogenkartellen bestimmt.

Vor einigen Jahren ist der neue Gouverneur dort nur knapp einem Attentat entgangen, seine Tochter wurde entführt. Vermutlich weiß er tatsächlich, wovon er spricht, wenn er nun den Narcotraficantes, den Drogenhändlern, den Kampf ansagt. "Man kann sie nicht mit Waffen besiegen, sondern nur mithilfe der Bevölkerung", glaubt er. Rodríguez animiert deshalb seine Netzgemeinde, ihm bei der Jagd nach Verbrechen und Korruption zu helfen, Dealer und Killer auf seinen Portalen zu denunzieren. Im Übrigen fordert er die Todesstrafe für mörderische Drogenbosse. Auch das kommt bei vielen Leuten an. Schwer zu beurteilen, wo dieser Online-Cowboy politisch steht. Links, rechts in der Mitte? Mit einem Lächeln sagt El Bronco: "Im Lager der politisch Inkorrekten."

© SZ vom 13.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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