Merkels Regierungserklärung zum EU-Gipfel:Nein heißt nein

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Die Sparkanzlerin bleibt sich treu: In ihrer Regierungserklärung zum anstehenden EU-Gipfel betont Angela Merkel, dass es mit ihr keine gemeinschaftliche Schuldenhaftung in der Euro-Zone geben wird. Dennoch erhält sie einmal sogar Applaus von SPD und Grünen - und erntet eisernes Schweigen aus den Reihen des Koalitionspartners.

Thorsten Denkler, Berlin

Nur noch wenige Minuten bis zur Regierungserklärung von Angela Merkel zum Eurogipfel im Bundestag. Da twittert ihr Regierungssprecher Steffen Seibert unter @regsprecher einen grandiosen Erfolg: "Gute Nachricht zur Ferienzeit: Preise für Mobiltelefonate aus EU-Ausland sinken auf max. 35 cent/min." Das ist natürlich großartig. Vor allem für Seibert. Richtig große Erfolge kann er ansonsten derzeit ja nicht verkünden.

Merkel scheint dennoch ausnehmend guter Laune zu sein, als sie den Plenarsaal betritt. Ein kurzer Plausch mit Grünen-Chefin Claudia Roth, beide lachen, Roth streicht Merkel über den linken Arm. Vielleicht sind sie sich ja näher gekommen in den Verhandlungen um Fiskalpakt und dem dauerhaften Euro-Rettungsfonds ESM.

Immerhin: In ihrer Regierungserklärung schafft sie es einmal, Applaus auch von Grünen und SPD zu erhalten. Neun Länder seien jetzt bereit zusammenzuarbeiten, um gemeinsam eine Finanztransaktionsteuer einzuführen, sagt Merkel. Da klatschen Grüne und Sozialdemokraten Seit' an Seit' mit Abgeordneten der Union. Nur aus den Reihen von FDP und Linke ist kein Beifall zu hören. Spannende Koalitionen am Mittwochmittag. Merkel frotzelt, der "Beifall gilt dem Finanzminister". Könnte sein. Die kaum zu überhörende Stille aus der Ecke der Liberalen allerdings auch.

Merkel bleibt beim Nein

Was sie nicht wiederholt, ist der Satz, den Merkel am Dienstag vor Abgeordneten der Liberalen fallenließ. Dass es nämlich "solange ich lebe" keine Euro-Bonds, Euro-Bills oder andere Formen von gemeinsamer Schuldenhaftung geben werde. Das klingt zwar so gar nicht nach Merkel, die sich doch sonst gerne alle Optionen offenhält. Der Satz ist allerdings verbürgt, wenn auch der Kontext umstritten ist.

Hier im Bundestag lässt sie ihr eigenes Lebensende außen vor. Dass sie keine Freundin von gemeinsamer Haftung ist, betont sie allerdings erneut. "Ich widerspreche entschieden, dass vorrangig der Vergemeinschaftung das Wort geredet wird" und "erst an zweiter Stelle über mehr Kontrolle". Euro-Bonds und -Bills seien schon verfassungsrechtlich nicht machbar. Merkel aber hält sie auch "ökonomisch für falsch und kontraproduktiv".

Das sieht auch ihr Koalitionspartner so. FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle spricht ohnehin von "Schuldensozialismus", womit aus seiner Sicht zum Thema Gemeinschaftsschulden alles gesagt sein dürfte.

"Sie sind alle Sozialisten"

Nur von Linken-Fraktionschef Gregor Gysi noch nicht. "Sie sind alle Sozialisten", erklärt er ausgerechnet Brüderle. Weil die etablierten Parteien die Schulden der Banken den Bürger aufdrücken. Die Linken seien dagegen Sozialisten, die die Gewinne der Reichen den Bürgern geben wollen.

Was Merkel aber will sind mehr "Durchgriffsrechte der europäischen Ebene" auf die nationalen Haushalte, wenn etwa der Stabilitätspakt nicht eingehalten werde. Wie das jedoch verfassungsrechtlich gehen soll, erklärt sie nicht. Das Haushaltsrecht ist das Königsrecht des Bundestages.

Die Gelegenheit zur Nachfrage nutzt auch Frank-Walter Steinmeier nicht, der SPD-Fraktionschef. Der greift in seiner Rede lieber die Kanzlerin in Manier eines Oppositionsführers an. "Sie waren nicht Teil der Lösung. Sie sind und waren Teil des Problems!" Aber hat die SPD nicht immer mitgestimmt? Ja, hat sie, wird sie auch diesmal, wenn am kommenden Freitag Fiskalpakt und ESM im Bundestag verabschiedet werden. Das könne er, weil die SPD in den Verhandlungen mit der Kanzlerin die "Stoßrichtung" der Euro-Rettungspolitik verändert habe. Er meint wohl die Wachstumskomponente und die Finanztransaktionsteuer.

Umschichtung statt neuer Mittel

Mit dem Wachstumspaket ist das allerdings so eine Sache. Dafür gibt es keine neuen Mittel. Es soll lediglich der EU-Haushalt umgeschichtet werden. Merkel will ihn "auf Wachstum und Beschäftigung ausrichten", vermeidet aber zu sagen, wie das konkret aussehen soll.

Das kann sie ja vielleicht Freitag nach dem Gipfel nachholen. Dann wird sie im Bundestag ihre nächste Regierungserklärung halten. Steinmeier warnt schon mal: "Jetzt sorgen sie erst einmal dafür, dass das Verhandlungsergebnis verbindlich eingehalten wird." Nur dann nämlich werde die von ihr angestrebte Zweidrittelmehrheit zu erreichen sein.

Gut möglich, dass Steinmeier in dieser Angelegenheit ausnahmsweise einmal recht behalten könnte.

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