Dritte Amtszeit:Minderheitsregierung Merkel, toleriert von der SPD

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Auf zur SPD, auf zu den Grünen: Um wechselnde Mehrheiten zu organisieren, müsste Merkel sich anstrengen. (Foto: dpa)

Angela Merkel hat die Wahl gewonnen, aber die Alleinregierung knapp verfehlt. Also umwirbt sie nun die SPD. Allerdings hat die Kanzlerin keinen Anspruch auf besonders einfaches Regieren. Die Sozialdemokraten würden ihrer staatspolitischen Verantwortung völlig genügen, wenn sie eine CDU/CSU-Minderheitsregierung toleriert. Dies könnte das langsame Sterben der SPD verhindern.

Ein Kommentar von Heribert Prantl

König Pyrrhus I. soll nach seinem Sieg über die Römer in der Schlacht von Ascalum zu einem Vertrauten gesagt haben: "Noch so ein Sieg, und wir sind verloren!" Der Sieg hatte zu große Opfer gekostet. Beim grandiosen Wahlsieg der Angela Merkel ist es nicht so schlimm wie in Ascalum. Merkel ist nicht Pyrrhus II. Aber Opfer gekostet hat der Wahlsieg auch: Die FDP ist auf der Strecke geblieben.

Die Union steht stolz da, mit Prozentzahlen, wie sie sich diese selbst wohl kaum erträumt hat. Aber: Sie kann jetzt vor lauter Kraft nicht laufen, sie hat keinen natürlichen Koalitionspartner mehr. Die FDP ist weg; Angela Merkel mag sich jetzt vergeblich wünschen, sie hätte eine klitzekleine Leihstimmenkampagne zugunsten der Liberalen gemacht. Fakt ist, Wahlsieg hin oder her: Die Union hat keinen geborenen Partner mehr. Und die SPD und die Grünen wären schön blöd, wieselflink in die Bresche zu springen, die die FDP hinterlassen hat.

Zu besetzen ist die Rolle des Ausputzers: Der Partner der CDU/CSU soll die paar Sitze ausgleichen, die der Union zur absoluten Mehrheit fehlen. Das ist eine undankbare Rolle - welche Bezeichnung man immer dafür findet. Große Koalition? Der Name ist, angesichts der hohen Prozentzahlen von CDU/CSU und der niedrigen der Sozialdemokraten, übertrieben bis komisch.

Für Merkel hätte Schwarz-Rot viele Vorteile

Gewiss: Angela Merkel braucht nicht nur ein paar Stimmen mehr im Bundestag, um ruhig regieren zu können; sie braucht auch einen ihr zugeneigten Bundesrat. Diese Zuneigung könnte die SPD, die dort die Mehrheit hat, herstellen. Ein Bündnis mit der SPD hat also für Merkel deutlich mehr Vorteile als eines mit den Grünen; die Grünen bringen ihr im Bundesrat wenig.

Schwarz-Grün, das wäre ein spektakuläres Bündnis; ein Bündnis, mit dem sich die Union in der Ungewissheit über die Zukunft der FDP einen neuen Koalitionspartner sichern könnte. Die Union würde das gewiss mitmachen, wenn Merkel wirklich will, sie ja ist im Zenit ihrer Autorität.

Aber was ist mit den Grünen? Sie können nach dem Wahl-Debakel, in höchst angegriffener Situation, nicht auch noch ein Bündnis eingehen, das die Basis wohl allenfalls dann akzeptieren würde, wenn die Grünen im Hochgefühl eigener Stärke in ein solches Bündnis ziehen könnten. Geschwächte, gebeutelte, frustrierte Grüne plus eine ungeheuer starke Union? Das funktioniert nicht. Da zerlegen sich die Grünen komplett. Angela Merkel und ihrer Union könnte das egal sein; Merkel hätte dann halt, nach der SPD (2005 bis 2009) und der FDP (2009 bis 2013) auch die Grünen, wie man so sagt, "entzaubert".

Kann die SPD nach den Erfahrungen von 2005/2009 allen Ernstes noch einmal das große Koalitions-Risiko eingehen? Wäre das die komplette Entzauberung der schon ziemlich Entzauberten? Oder, noch schlimmer: Eine Art Resteverwertung? Womöglich beginnt mit einer neuen großen Koalition die Chronik des angekündigten Todes einer Noch-Volkspartei. Ein Teil der Wähler wird den Eintritt in die Koalition so auslegen, dass die SPD eben nach Macht und Posten trachtet. Das bringt diese Partei um.

Gibt es nun aber nicht eine staatspolitische Verantwortung der SPD, dafür zu sorgen, dass das Land ordentlich regiert werden kann? Die gibt es - aber zu diesem Zweck muss die SPD nicht in eine Regierung eintreten. Die CDU/CSU mit der Kanzlerin Angela Merkel kann auch mit einer großen Minderheitsregierung, einer qualifizierten Minderheitsregierung, regieren. Mit Minderheitsregierungen gibt es zum Beispiel in den skandinavischen Ländern gute Erfahrungen. Und die Merkel-Regierung wäre eine besonders starke Minderheitsregierung.

Ihrer staatspolitischen Verantwortung kann die SPD dadurch nachkommen, dass sie erklärt, eine solche Minderheitsregierung zu tolerieren - und für diese Tolerierung quasi-koalitionäre Abmachungen trifft. Bei den Euro-Rettungspaketen hat das partielle Mitregieren aus der Opposition heraus funktioniert.

Gewiss: Angela Merkel muss sich dann ein wenig anstrengen, um für ihre Politik im Parlament zu werben - bei der SPD, vielleicht auch bei den Grünen. Aber das kann man von einer großen Wahlsiegerin erwarten. Auch Angela Merkel hat eine staatspolitische Verantwortung. Die erschöpft sich nicht darin, auf einer großen Koalition zu bestehen.

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