Mazedonien:Flucht nach vorne

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Die Freude über seinen Wahlerfolg war bei Zoran Zaev groß - doch nun liegen große Probleme vor der Regierung des neuen Premiers Mazedoniens. (Foto: Georgi Licovski/dpa)

Dokumente zeigen, wie Moskau den Nato-Beitritt Mazedoniens verhindern und das Land unterwandern will. Die neue Regierung in Skopje will gerade deshalb schnell in das Bündnis.

Von Florian Hassel, Warschau

Es waren drei vordringliche Ziele, die Mazedoniens neuer Ministerpräsident Zoran Zaev zum Amtsantritt verkündete: Die Wirtschaft fördern, den Rechtsstaat wiederherstellen - und das zwei Millionen Einwohner kleine Balkanland "so schnell wie möglich" in die EU und in die Nato führen. Vor allem das letzte Ziel - die Aufnahme in die Nato - würde Moskau gern verhindern. So muss sich Mazedoniens neue Regierung nicht nur nach langem Streit mit dem Nachbarn Griechenland einigen, zerrüttete staatliche Institutionen wiederaufbauen und desolate Finanzen sanieren, sondern auch mit wachsendem Druck aus Russland rechnen.

Am 7. April, bereits bevor der westorientierte Zaev zum Ministerpräsidenten gewählt wurde, sagte Moskaus Botschafter Oleg Schtscherbak in Skopje, Moskau wolle auf dem Balkan "einen Streifen militärisch neutraler Länder" aus Bosnien-Herzegowina, Montenegro, Serbien und Mazedonien schaffen: Dies belegen dem Investigativnetzwerk Krik zugespielte Dokumente. Doch Ende April stimmte Montenegro für den Nato-Beitritt und gehört seit dem 5. Juni zum westlichen Verteidigungsbündnis. Schon hat Moskau die Einfuhr von Wein aus Montenegro gestrichen, eine Einreisesperre für montenegrinische Politiker beschlossen und weitere Konsequenzen angekündigt. In Skopje drohte Botschafter Schtscherbak beim April-Termin angeblich, auch Mazedonien müsse mit wirtschaftlichen und diplomatischen Strafen rechnen, wenn es Moskaus Politik nicht unterstütze.

Die russische Firma Strojtransgas baut in Mazedonien eine Pipeline; Moskau hat in Mazedonien Dutzende "Freundschaftsvereinigungen" gegründet - und fährt den Krik-Dokumenten zufolge in lokalen Medien umfangreiche Desinformationskampagnen. Diese werden, offenbar durch den Vertreter des serbischen Geheimdienstes BIA in Skopje, mit Belgrad koordiniert: Dort trommeln regierungskontrollierte Medien in den letzten Monaten verstärkt gegen die Nato, gegen die EU und für die Militärmacht Russland.

In Mazedonien versuchten der russische Auslandsgeheimdienst SWR und der Militärgeheimdienstes GRU, Soldaten, Polizisten und Geheimdienstler anzuwerben, so ein Briefing des mazedonischen Geheimdienstes UBK. Moskaus Ziel: eine "kritische Masse militärisch trainierter Personen" aufzubauen, die "in einem bestimmten politischen Moment genutzt werden können, um russische Interessen durchzusetzen". Dies erinnert an Montenegro: Dort sollen russische Agenten im Oktober 2016 versucht haben, mit ehemaligen serbischen Offizieren den in die Nato drängenden Ministerpräsidenten zu ermorden und einen Staatsstreich durchzuführen. Ein entsprechender Prozess läuft jetzt in Montenegro - Moskau bestreitet die Vorwürfe.

In Skopje hoffen manche gerade wegen des wachsenden russischen Drucks nun auf eine schnelle Aufnahme in die Nato, sagte etwa der ehemalige Nato-Botschafter Nano Rusin dem Fachdienst Balkan Insight. Mindestvoraussetzung dafür ist eine Einigung mit Griechenland: Athen, dessen nördlichste Region ebenfalls Mazedonien heißt, will etwaige Ansprüche des Nachbarn auf seine Region verhindern und blockiert deshalb seit über einem Jahrzehnt die Aufnahme von Mazedonien (offizieller Name FYROM für: "Ehemalige jugoslawische Republik Mazedonien") in EU und Nato. Jetzt könnte ein Neuanfang folgen: Griechenlands Außenminister Nikos Kotzias sagte, er habe mehrmals mit Mazedoniens neuem Premier Zaev telefoniert und seinen neuen Amtskollegen Nikola Dimitrov nach Athen eingeladen, um "alle seit langem bestehenden Probleme zu lösen".

Die Griechen erboste in den vergangenen Jahren auch, dass Mazedonien verstärkt das hellenische Erbe bis hin zu Alexander dem Großen für sich reklamierte - und diesen Anspruch auch durch einen pseudoantiken, Hunderte Millionen Euro teuren Umbau der Hauptstadt Skopje untermauerte. Die Regierung Zaev hat das von massivem Korruptionsverdacht umwitterte, noch immer nicht abgeschlossene Projekt nach ihrer Vereidigung in der vergangenen Woche auf Eis gelegt - ein vergleichsweise einfacher Beschluss.

Schwerer wird sein, die hohe Arbeitslosigkeit zu verringern und die Staatsfinanzen zu sanieren: Der bis 2016 regierende Autokrat Gruevski hat die Staatsschulden verdreifacht. Außerdem durchsetzte er alle Ministerien, Polizei, Armee und Justiz, Staatsfirmen und Medien mit Gefolgsleuten. Eine auf Druck der EU eingesetzte Sonderstaatsanwaltschaft, die einen umfangreichen Abhörskandal und massive Korruption unter Gruevski aufklären sollte, stieß auf den Widerstand der Regierung, des Parlaments und der regierungskontrollierten Gerichte. Der neue Regierungschef Zaev will nun eine Sonderkammer schaffen, die ausschließlich für Fälle von Korruption und andere Vergehen hoher Amtsträger zuständig sein soll.

© SZ vom 07.06.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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