Martin Luther:Ewiger Gottseibeiuns

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500 Jahre lang haderte die katholische Kirche mit Martin Luther. Nun wird in Rom ein Platz nach dem Augustinermönch benannt, in bester Lage - allerdings nach einem langen Kampf evangelischer Gemeinden.

Von Stefan Ulrich

Rom kann Protestanten schon einiges an Tugend der Toleranz abverlangen: Sitz des Papstes. Zentrum des Katholizismus. Die Kirchen voller Heiliger, Blutreliquien und Schwärmen von Engeln, die sich in barocken Kuppeln tummeln. Immerhin regiert heute in Rom ein Pontifex, Franziskus, dem auch Protestanten zugestehen dürften, dass er sein Wirken an Jesus Christus ausrichtet. Das lässt sich von Julius II. nicht unbedingt behaupten, der in Rom herrschte, als ein deutscher Augustinermönch namens Martin Luther um das Jahr 1511 herum die Stadt besuchte. Papst Julius begeisterte sich fürs Militärische und prunkte wie ein weltlicher Renaissancefürst; Luther nannte ihn später einen "Blutsäufer". Wie der Augustinermönch die Stadt selbst erlebte, ist umstritten. 1540 bezeichnete er Rom jedenfalls in einer Tischrede als "Hauptstadt der Laster" und den "Sitz des Teufels".

Luther hätte es wohl kaum für möglich gehalten, dass dort einmal ein Platz nach ihm benannt werden würde. Genau das geschieht jetzt. Wie die Evangelisch-Lutherische Gemeinde in Rom bekannt gibt, wird am 16. September ein Platz im lauschigen Park Colle Oppio, unweit des Kolosseums, in Piazza Martin Lutero umbenannt. Als Erläuterung wird auf dem Straßenschild stehen: "Deutscher Theologe (1483 - 1546)."

Die evangelischen Kirchengemeinden im katholischen Rom, zu denen zum Beispiel auch Adventisten, Baptisten oder Waldenser zählen, appellieren seit Jahren an die Stadtregierung, dass dem großen Reformator ein Ort gewidmet wird. Eigentlich dachten sie an die Treppe, die von der Piazza del Popolo hinauf auf den Pincio-Hügel führt, da Luther in einem Kloster in unmittelbarer Nähe gewohnt haben soll. Doch dann schlug die Stadt den Platz beim Kolosseum vor. Jens-Martin Kruse, der Pfarrer der evangelischen Christuskirche in Rom, erzählt: "Das ist ein so schöner Ort, dass wir dies sofort dankbar annahmen."

Nun hat die Stadt Rom die katholische Kirche schon früher gern mal provoziert. So wurde 1889 trotz des Protests des Vatikans auf dem Campo de' Fiori ein Denkmal für Giordano Bruno enthüllt, den die Kirche einst auf dem Platz als Ketzer verbrannt hatte. In Sachen Luther-Platz ist jedoch alles im besten Einvernehmen geschehen. "Es gab bisher keinen Widerstand", sagt Kruse. "Aus der katholischen Kirche haben wir nur Zuspruch bekommen." Für Papst Franziskus spielten konfessionelle Grenzen ohnehin keine so große Rolle mehr. "Der hat einen Schwung in die Ökumene gebracht, wie wir das lange nicht mehr erlebt haben."

Rom kann sich durch die Neubenennung eines Platzes nach Martin Luther als weltoffene Stadt präsentieren. Es demonstriert zugleich, dass der Aufenthalt Luthers zur Geschichte Roms gehört und dass der Reformator heute auch dort gewürdigt wird. "Rom ist nicht nur Hauptstadt des römisch-katholischen Christseins, sondern der ganzen Christenheit", sagt Kruse. Luther habe vor 500 Jahren die Kirche nicht spalten, sondern reformieren wollen. Jetzt hofft der evangelische Pfarrer, dass zur Einweihung der Piazza Martin Lutero auch ein katholischer Bischof kommt.

© SZ vom 14.08.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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