Mali:Von Misstrauen zerfressen

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Grafik: SZ (Foto: N/A)

Das afrikanische Land kommt nicht zur Ruhe, seitdem sich Regierung, Islamisten und Tuareg bekämpfen.

Von Tobias Zick

Die Soldaten kamen, nachdem schon alles vorbei war. Ein Auto war auf eine Mine gefahren und explodiert, die folgenden Fahrzeuge blieben stehen, dann stürmten die Angreifer, manche davon bewaffnet mit Raketenwerfern, aus der Deckung und feuerten auf die Insassen. Die Opfer hatten Pech, dass sie im selben Konvoi auf der Straße zwischen den Städten Gossi und Gao im Norden Malis unterwegs waren wie drei Tanklaster der UN-Mission Minusma; sie waren offenbar das eigentliche Ziel der Attentäter. Nachdem sie die drei Lastwagen in Brand gesteckt hatten, verschwanden sie wieder in die Wüste, zurück blieben Autowracks und verkohlte Leichen.

Mindestens sechs Menschen starben bei dem Attentat am Dienstag, laut UN-Informationen könnten es auch deutlich mehr gewesen sein. Sicher ist, dass es sich um einen der schwersten Anschläge der vergangenen Monate in Nord-Mali handelte. Er ist ein weiterer Beleg dafür, wie instabil die Lage nach wie vor ist, trotz massiver Präsenz von UN-Truppen und französischer Anti-Terror-Einheiten, trotz eines Friedensvertrags, auf den sich die Hauptakteure des Konflikts schon im Juni geeinigt hatten. Es gebe in der Region einfach "nach wie vor viele Kräfte, die an Frieden und Stabilität kein Interesse haben", räumte Mongi Hamdi, der Chef der UN-Mission in Mali (Minusma), vergangene Woche vor dem Sicherheitsrat in New York ein.

Im März 2012 war der schon seit Jahrzehnten schwelende Konflikt zwischen Tuareg-Rebellen und der malischen Zentralregierung erneut eskaliert und hatte eine bis dahin ungekannte Dynamik angenommen. Die separatistischen Gruppen hatten sich mit Islamisten verbündet und gemeinsam im nördlichen Teil Malis einen neuen Staat namens "Azawad" ausgerufen. Doch das Zweckbündnis zerbrach nach kurzer Zeit. Die Islamisten rissen die Macht an sich, schlugen ihre Tuareg-Mitstreiter zurück und errichteten einen Gottesstaat. Nach langem Hadern der internationalen Gemeinschaft startete die frühere Kolonialmacht Frankreich schließlich im Januar 2013 eine Offensive und schlug, zusammen mit der desolaten malischen Armee, die Besatzer aus den größeren Städten der Region zurück. Timbuktu und Gao waren befreit, doch die Invasoren waren weder besiegt noch verschwunden; sie hatten sich lediglich in ihre Verstecke in der Wüste zurückgezogen, ein Terrain, das sie weitaus besser kennen als ihre Gegner.

Der daraus resultierende Krisenzustand dauert bis heute an. Der malische Staat hat in weiten Teilen des Nordens de facto keine Macht. Die Tuareg-Hochburg Kidal ist nach wie vor unter der Kontrolle separatistischer Rebellen, und in den riesigen Wüstengebieten marodieren eine Vielzahl bewaffneter Milizen, die mal unter islamistischer, mal unter vermeintlich säkularer Flagge operieren und wenig Interesse daran haben, die Kontrolle über die äußerst lukrativen Transsahara-Schmuggelrouten an die verhasste, schwache Zentralregierung in Bamako abzutreten.

Nach monatelangem Feilschen und Taktieren und auf massiven internationalen Druck hin unterzeichneten im Juni dieses Jahres schließlich die diversen Tuareg-Rebellengruppen ein Friedensabkommen mit der Regierung und den mit ihr verbündeten Milizen. Doch zwei Monate später brachen wieder Kämpfe aus. Eine regierungstreue Miliz eroberte die Stadt Anéfis, etwa 120 Kilometer südlich von Kidal, was für die Tuareg-Rebellen einen eindeutigen Bruch des ohnehin mit großer Skepsis behafteten Abkommens darstellte.

Die Minusma konnte die Miliz schließlich dazu bewegen, sich wieder aus Anéfis zurückzuziehen - doch das Misstrauen auf beiden Seiten ist durch den Zwischenfall eher noch größer geworden. Zugleich haben verschiedene islamistische Gruppen ihre Attentate auf die malische Armee und die Blauhelme in Gebiete hinein ausgeweitet, in denen es bis dato ruhig gewesen war; vor allem in der Region Mopti, südlich des zuvor von den Dschihadisten kontrollierten Landesteils.

Am Wochenende haben immerhin zwei seit Jahrzehnten verfeindete Tuareg-Clans ein Abkommen geschlossen, in dem sie sich darauf verpflichten, "alle Differenzen künftig im Dialog zu lösen". Unterzeichner sind jeweils die Anführer der Ifoghas, die die Mehrheit der separatistischen Gruppen stellen, und die Inghad, die hauptsächlich an der Seite der Regierung kämpfen. Mit einer Beilegung der Rivalitäten könnte ein Haupthindernis bei den Friedensbemühungen in Mali wegfallen - vorausgesetzt, beide Seiten halten sich dauerhaft an ihr Abkommen. Von westlichen Diplomaten in Bamako ist dazu vorsichtiger Optimismus zu vernehmen. Nicht mehr und nicht weniger.

© SZ vom 15.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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