Mali:Kulturschänder vor dem Richter

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Ein Mann vor den Resten eines von Islamisten zerstörten Mausoleums in Timbuktu. Das Foto entstand im Jahr 2013. (Foto: Eric Feferberg/AFP)

Prozess gegen einen Islamisten wegen der Zerstörung von Heiligengräbern.

Von Ronen Steinke, München

Erstmals kommt ein Fall der Zerstörung von Weltkulturerbe vor den Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag. Wie das Gericht mitteilte, wurde ein mutmaßlicher islamistischer Extremist wegen seiner Beteiligung an der Zerstörung religiöser und historischer Monumente im malischen Timbuktu verhaftet und dem Gericht überstellt.

Die Wüstenstadt Timbuktu war Jahrhundertelang ein wichtiges kulturelles Zentrum des Islam, in ihrer Blütezeit im 15. und 16. Jahrhundert beherbergte sie 180 Schulen und Universitäten. Die Extremisten, die dort 2012 einfielen, zerstörten 14 der 16 Mausoleen der Stadt, was internationales Entsetzen auslöste. Der Strafgerichtshof in Den Haag plant nun ein Musterverfahren, von dem er sich Signalwirkung erhofft: Ahmad al-Mahdi al-Faqi alias Abu Tourab sei der erste Verdächtige im Gewahrsam des Gerichtshofs, dem wegen dieses speziellen Kriegsverbrechens der Prozess gemacht werde, erklärte die Haager Chefanklägerin Fatou Bensouda.

Die Zerstörung religiöser oder kultureller Stätten - nicht nur besonders wertvoller Monumente - ist im Völkerrecht seit langem als Kriegsverbrechen anerkannt. Die Zerstörung von Kirchen und Moscheen etwa zählte bereits am Jugoslawientribunal der UN seit den Neunzigerjahren zu den Anklagepunkten. Dabei stand dieser Verbrechenstatbestand aber bislang nie allein im Vordergrund. Die Haager Chefanklägerin bezeichnete die Zerstörung von Kulturstätten nun als "einen feigen Angriff auf Würde und Identität ganzer Bevölkerungen". Solche Attacken beträfen die gesamte Menschheit: "Wir müssen uns der Zerstörung und Schändung unseres gemeinsamen Erbes entgegenstellen."

Der Staat Niger habe den Beschuldigten al-Faqi aufgrund eines vergangene Woche ausgestellten Haftbefehls an den Gerichtshof ausgeliefert. Am Samstagmorgen sei er nach Den Haag überstellt worden. Nach Angaben des Gerichtshofs gehörte er der Extremistengruppe Ansar Dine an, die Verbindungen zum Terrornetzwerk al-Qaida hat und 2012 Teile des Nordens von Mali beherrschte. Islamistische Extremisten hatten 2012 Timbuktu besetzt. Sie zerstörten 14 der 16 Mausoleen der Stadt, in denen große islamische Denker bestattet waren. 2013 wurden die Militanten von französischen Truppen vertrieben. Die UN-Kulturorganisation Unesco, die Timbuktu zum Weltkulturerbe zählt, begann 2014 mit der Rekonstruktion der zerstörten Stätten.

Ähnliches Entsetzen löste jüngst die Zerstörung von Kulturstätten in der Ruinenstadt Palmyra aus. Dort waren Bauwerke von der Terrormiliz Islamischer Staat gesprengt worden. Der Tatort liegt in Syrien; die dortige Regierung hat, anders als in Mali, die Juristen in Den Haag nicht zu Ermittlungen ermächtigt.

© SZ vom 28.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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