Machtwechsel in der Ukraine:USA warnen Putin vor Militärintervention in Kiew

Lesezeit: 3 min

Nach der Aktivierung russischer Truppen nahe der ukrainischen Grenze schickt US-Außenminister John Kerry deutliche Worte nach Moskau zu Kremlchef Putin. Während sich in Kiew abzeichnet, wer künftig die Ukraine regiert, brodelt es auf der Halbinsel Krim am Schwarzen Meer.

Die Vereinigten Staaten haben wegen der politischen Zukunft der Ukraine deutliche Worte an Russland gerichtet. US-Außenminister John Kerry warnte Moskau vor einer militärischen Intervention in dem Nachbarland. Eine Verletzung der territorialen Integrität der Ukraine wäre ein schwerwiegender Fehler, sagte Kerry vor Journalisten. Russland habe sich wiederholt gegen ausländische Militärinterventionen etwa in Libyen oder Syrien ausgesprochen. Jetzt solle sich das Land an die eigenen Mahnungen halten.

Auch der designierte ukrainische Präsidentschaftskandidat Vitali Klitschko warnte Russland. "Im Osten unseres Landes versucht Russland derzeit starken Einfluss zu nehmen, da müssen wir besonders aufpassen", sagte Klitschko der Bild-Zeitung. In Russland sei von einigen Medien versucht worden, das Bild von einem Putsch und radikalen Demonstranten zu zeichnen. "Das ist einfach falsch", sagte Klitschko, der als Kandidat bei der Präsidentenwahl im Mai antreten will.

30 Verletzte auf der Krim

Als Reaktion auf den Umsturz im Nachbarland hat Russlands Präsident Wladimir Putin die eigenen Truppen im Grenzgebiet in Alarmbereitschaft versetzt. Russlands Verteidigungsminister Sergej Schoigu kündigte zugleich Maßnahmen zur Sicherung russischer Einrichtungen auf der Krim an. Die mehrheitlich von Russen bevölkerte Halbinsel ist wichtigster Standort der russischen Schwarzmeerflotte. Auf die Frage, ob er ein militärisches Eingreifen Russlands befürchtet, sagte Klitschko: "Ich kann mir das nicht vorstellen, denn eine solche Eskalation der Situation wollen beide Seiten nicht."

Auf der Krim brodelt es längst. Bei Protesten auf der Halbinsel Krim kam es zwischen Befürwortern und Gegnern einer Annäherung an Russland zu Zusammenstößen. Deutlich mehr als 10.000 Krimtataren demonstrierten vor dem Regionalparlament in Simferopol gegen eine Abspaltung der autonomen Krim-Republik. Hingegen machten rund 4000 prorussische Demonstranten Stimmung für eine engere Anbindung der Krim an Moskau. Sicherheitskräfte sprachen von mindestens 30 Verletzten durch Stein- und Flaschenwürfe.

Ukraine
:Wer nun wichtig wird

Kaum ist Präsident Janukowitsch abgesetzt, beginnt in der Ukraine der Kampf um Macht und Einfluss. Es geht darum, wer das Land künftig regiert. Neben den Polit-Stars Timoschenko und Klitschko haben auch ein Schoko-Milliardär und zwei Nationalisten große Ambitionen.

Von Matthias Kolb

In Sewastopol, dem Stützpunkt der russischen Schwarzmeerflotte auf der Krim, übernahm nach einer Straßenabstimmung der Russe Alexander Tschalyi das Bürgermeisteramt. Moskautreue Kräfte richteten Grenzposten an den Zugängen zur Stadt ein. Die Führung in Moskau fürchtet, dass ukrainische Nationalisten den Autonomie-Status beenden könnten. Das will der Kreml nicht zulassen.

Parlament soll Jazenjuk zum Premierminister wählen

Das Parlament in Kiew soll den Politiker Arseni Jazenjuk als Interims-Regierungschef wählen. Der 39-Jährige ist eine Schlüsselfigur der Protestbewegung in der Ukraine. Die Abstimmung über das neue Kabinett gilt als weiterer Schritt zu einer Beruhigung der Lage in der Ex-Sowjetrepublik. Die Personalien hatte der sogenannte Maidan-Rat der Demonstranten am Unabhängigkeitsplatz in Kiew am Mittwochabend vorgeschlagen. Die prominenten Politiker Julia Timoschenko und Vitali Klitschko standen hingegen nicht auf der Kabinettsliste.

Ließ die russischen Grenztruppen nahe der Ukraine in Alarmbereitschaft versetzen: Kremlchef Wladimir Putin (Foto: AFP)

Auf dem Maidan in Kiew wurde Jazenjuks Nominierung von Zehntausenden Aktivisten auch mit vielen Pfiffen aufgenommen, weil der 39-Jährige nicht für einen echten Neuanfang stehe. Der Maidan-Rat besteht aus Schlüsselfiguren der Protestbewegung in der Ukraine. Angesichts der prekären Finanzlage der Ukraine gilt der Posten des Regierungschefs als das schwierigste Amt. Das Land befindet sich in der schwersten Krise seit Jahrzehnten. Die internationale Gemeinschaft macht Finanzhilfen von einem Reformprogramm abhängig.

Dem Kabinett soll auch der mutmaßlich gefolterte Regierungsgegner Dmitri Bulatow als Sportminister angehören. Der Kommandant des Protestlagers auf dem Maidan, Andrej Parubij, wird demnach Chef des Sicherheitsrates.

Die USA sagten dem auf einen Staatsbankrott zusteuernden Land eine Kreditbürgschaft von einer Milliarde US-Dollar (727 Millionen Euro) zu. Außerdem seien direkte Finanzhilfen im Gespräch, sagte Außenminister Kerry vor Journalisten in Washington, wie die Finanznachrichtenagentur Bloomberg berichtete. Es sei nicht genug, den Anbruch der Demokratie zu verkünden und dann nichts zu unternehmen, sagte der US-Chefdiplomat. Es gebe einen starken Rückhalt im Kongress, dem angeschlagenen Land unter die Arme zu greifen.

Klitschko vermutet Janukowitsch in russischem Militärcamp

Von Russlands Präsidenten Wladimir Putin forderte Präsidentschaftskandidat Klitschko, dem gestürzten Präsidenten Viktor Janukowitsch kein Exil zu gewähren. "Janukowitsch muss sich in der Ukraine vor einem Gericht für seine Taten verantworten." Es gebe starke Anzeichen dafür, dass sich der Flüchtige auf der Krim in einem russischen Militärlager versteckt halte.

Janukowitsch wurde inzwischen zur internationalen Fahndung ausgeschrieben, ebenso der abgesetzte Innenminister Witali Sachartschenko. Nach ihnen wird wegen der Tötung Dutzender Demonstranten wegen "Massenmordes" gesucht.

© SZ.de/Reuters/dpa/odg - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: