Linke:Wo die Hoffnung keimt

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Die Partei sieht sich endlich wieder im Aufwind - auch dank junger Wähler.

Von Constanze von Bullion

In der Linkspartei dürften sich am Montag manche vorgekommen sein wie im falschen Film, vielleicht in einer Art Märchengeschichte. Wie steht die Linke zu Auslandseinsätzen der Bundeswehr, wurden die Bundesvorsitzenden der Linken am Tag nach der Berlin-Wahl gefragt - ganz so, als gelte es nun, ein rot-rot-grünes Bündnis im Bund auszuhandeln. Einer der Journalisten fragte, ob die Linkspartei nicht mit SPD und Grünen noch in dieser Legislaturperiode die Regierungsgeschäfte von Angela Merkel übernehmen könne. War da was? Hat die Linke nicht eine ganze Serie niederschmetternder Landtagswahlen hinter sich? Das war einmal, hieß es am Montag sinngemäß in Berlin. Mit der Wahl in der Hauptstadt, so hoffen nun viele Linke, könnten sich auch im Bund wieder Türen öffnen.

"Das macht Mut für das ganze Land. Das macht Mut für linke Mehrheiten", sagte Parteichefin Katja Kipping im Karl-Liebknecht-Haus. Gemeint war das Wahlergebnis von 15,6 Prozent, also Platz drei bei den Wahlen zum Berliner Abgeordnetenhaus. Das Ergebnis der Linken war zwar nur einen Hauch besser als das Wahlziel von "15 Prozent plus x". Im Vergleich zur vorherigen Landeswahl aber konnte sich die Partei um fast vier Prozentpunkte verbessern. Im Laufe der Wahlnacht überrundete sie auch noch die Grünen und stand neben den schwer gefledderten Volksparteien SPD und CDU am Ende als Siegerin da, neben FDP und AfD.

Die Berliner Genossen hatten sich von Wagenknechts Kritik an der Flüchtlingspolitik klar abgegrenzt

Nun stehen die Chancen für die Linkspartei gut, wieder mitzuregieren in der Hauptstadt. Das schreiben Parteifreunde vor allem ihrem Spitzenkandidaten Klaus Lederer zu. Der 42 Jahre alte Jurist gehört zu der Sorte Menschen, die schneller denken, als sie reden können, weshalb Lederers Auftritte sich bisweilen wie Maschinengewehrsalven anhören. Dennoch wirkt er im Vergleich zu den meisten anderen Spitzenkandidaten locker und unverstellt. Das kommt an. Im Osten Berlins, wo einst Intelligenz und Parteieliten der DDR zu Hause waren, holte die Linke 25,2 Prozent, also mehr als jede vierte Stimme, im Westen immerhin 10,4 Prozent. Besonders stolz ist die Partei darauf, in Berlin Wähler unter 30 Jahren hinzugewonnen zu haben.

"Die Stimmung zeigt, dass viele in der Stadt beteiligt werden wollen und genug haben von dieser Basta-Politik des Senats", sagte der Linken-Fraktionschef im Abgeordnetenhaus, Udo Wolf, der Süddeutschen Zeitung. Die Linke hat sich den Zorn gegen die vom Sparen gelähmte und ineffektive Verwaltung zunutze gemacht, den Ärger über marode Schulen und steigende Mieten. Nicht aufgesprungen sei man dagegen auf den Zug des Rechtspopulismus, betont Wolf. "Angstwahlkampf bringt nichts. Ich halte es für illusorisch, sich um Leute zu bemühen, die der AfD nahestehen."

Die Berliner Genossen hatten sich klar abgegrenzt von Bundestags-Fraktionschefin Sahra Wagenknecht und ihren umstrittenen Äußerungen zur Flüchtlingspolitik. Nun fühlen sie sich bestätigt. Bei den Wählerverlusten an die AfD steht die Linke in Berlin nur auf Platz fünf, anders als zuletzt in anderen Ländern. "Es war richtig und soll so bleiben, dass wir hier Haltung gezeigt haben. Ich halte das für die einzig denkbare Antwort", sagte die linke Bundestagsvizepräsidentin Petra Pau. Für Euphorie oder Spekulationen über die nächste Bundesregierung aber sei es zu früh. Es sei zwar erfreulich, dass in Berlin mehr Junge die Linke wählten als in ostdeutschen Flächenländern und weniger Wähler zur AfD gewechselt seien. Dennoch liege ein Ergebnis von 14,2 Prozent für die AfD in einer Stadt wie Berlin "im Magen". In Paus Wahlkreis Marzahn-Hellersdorf nahm die AfD der Linken zwei Direktmandate ab. "Wir müssen uns damit befassen", sagt Pau. "Ich denke, das ist eine Denkaufgabe für alle Parteien."

© SZ vom 20.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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