Linke:Immer auf die Kleinen

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Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe hat die Rechte der Opposition sogar noch zusammengestutzt. Dahinter könnte die Sorge vor der nächsten Bundestagswahl stecken.

Von Wolfgang Janisch

Im Karlsruher Urteil stehen ein paar schöne Sätze darüber, wie wichtig die Opposition im parlamentarischen Betrieb ist. Sie sei zur "öffentlichen Kontrolle" der Regierung berufen und dürfe dabei "nicht auf das Wohlwollen der Parlamentsmehrheit" angewiesen sein. Liest man das Urteil ganz, dann stellt man fest: Das sind nette Worte zum Trost der Linksfraktion, die mit der Klage auf eine Stärkung ihrer Rechte krachend gescheitert ist. Denn letztlich geht die Opposition geschwächt aus dem Verfahren hervor.

Der Ansatzpunkt der Linken-Klage war: In Zeiten der großen Koalition sind selbst Linken und Grünen gemeinsam wesentliche Oppositionsbefugnisse verbaut, weil die Quoren zu hoch liegen - für einen Untersuchungsausschuss oder eine Normenkontrollklage muss man ein Viertel der Abgeordneten zusammenbekommen. Zwar hat die schwarz-rote Koalition der Opposition per Geschäftsordnung wesentliche Rechte zugestanden, darunter die für den parlamentarischen Betrieb so zentrale Befugnis, einen Untersuchungsausschuss einzusetzen. Doch die Linke wollte nicht nur die Brosamen vom Tisch der Herrschenden, sondern änderungsfeste Rechte. Die Antwort aus Karlsruhe ist für die Kläger ein Desaster - so tapfer sie auch die Niederlage in einen Sieg umzudeuten versuchen. Denn danach dürfte sogar vieles von dem der Verfassung widersprechen, was die Regierungsfaktionen ihr im Kulanzweg zugestanden haben. Die Klage ist zum Eigentor geworden.

Das Karlsruher Urteil schwächt die Opposition

Das Gericht entnimmt dem Grundgesetz eben gerade keine Privilegierung der "Opposition", sondern lediglich Sonderrechte für "Minderheiten" - zu denen sich im Einzelfall ja auch Abgeordnete der Regierungsfraktionen gesellen könnten. Dahinter steckt die romantische Idee, eigentlich kontrolliere doch das gesamte Parlament die Regierung. "Spezifische Oppositionsrechte" sind nach dieser Lesart eine unzulässige Privilegierung bestimmter Abgeordneter. Eine Aufwertung der "Opposition" via Geschäftsordnung wird nach diesem Urteil nicht wiederholbar sein.

Der Zweite Senat stärkt damit letztlich die Regierungsmehrheit - warum? Der tiefere Grund dürfte die Angst der Richter sein, künftige Parlamente könnten so vielfältig und kontrovers besetzt sein, dass die Regierungsfähigkeit leidet. Nach derzeitigen Prognosen wird die AfD in den Bundestag einziehen, die FDP wird zurückkehren, dazu Grüne und Linke - die Opposition wird schillernd. Kein Zufall, dass der Senat an die Verhältnisse von Weimar erinnert.

Man muss dem Gericht zugestehen, dass die Zeiten nicht unbedingt einen Ausbau der gar nicht so bescheidenen Oppositionsrechte erfordern. Die Schwelle zur Normenkontrollklage hätte Karlsruhe ohnehin nicht in eigener Hoheit absenken können, denn das Viertelquorum steht ausdrücklich im Grundgesetz. Dass das Gericht aber künftige Regierungen einlädt, der Opposition doch bitte keine Sonderrechte mehr einzuräumen, das ist zu viel der staatstragenden Fürsorge. Karlsruhe hat den Linken Steine statt Brot gegeben.

© SZ vom 04.05.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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