Linke:Gysi, Bartsch und die Lafodödel

Sahra Wagenknecht und Dietmar Bartsch

Dietmar Bartsch soll Gregor Gysi als Linke-Fraktionschef beerben - gemeinsam mit Sahra Wagenknecht. Diese soll er als "Lafodödel" bezeichnet haben.

(Foto: Oliver Berg/dpa)

Bei den Linken wurde über die politische Gesinnung im Vorstand akribisch Buch geführt - wer das initiierte, ist umstritten.

Von Constanze von Bullion, Berlin

Ein wenig erinnert dieses Stelldichein an die Audienz bei einem König, der noch einmal Hof hält, bevor er abdankt und ein Vermächtnis hinterlässt. "Sie müssen das schaffen", sagt Gregor Gysi, es klingt fast beschwörend. Oder: "Sie müssen lernen zu integrieren." Sie, das sind Gysis mutmaßliche Nachfolger in der Linksfraktion im Bundestag. Am 13. Oktober wird ein neuer Vorstand gewählt, und weil Gysi den Fraktionsvorsitz abgeben will, sollen Dietmar Bartsch und Sahra Wagenknecht ihn beerben, als Doppelgespann. Schon vor der Kandidatur gab es das für die Partei typische Theater. Nun gesellt sich noch persönlicher Ärger dazu.

Grund sind die "Lafodödel" und ein Artikel in der Welt, wonach der heutige Fraktionsvize Bartsch, der früher Bundesgeschäftsführer war, 2012 über den 44-köpfigen Parteivorstand der Linken Dossiers habe anfertigen lassen. Darin seien, so der Bericht, die Vorständler von der Ost-West-Zugehörigkeit über die Parteiströmung bis zur Verlässlichkeit ausgespäht und eingeteilt worden, nach Freund und Feind.

Wie da Gesinnungen katalogisiert worden sein sollen, erinnert auch linke Abgeordnete an Methoden der DDR-Staatssicherheit. Laut Welt wies Geschäftsführer Bartsch damals einen Mitarbeiter an, Listen anzulegen, die immer wieder "überarbeitet" und "präzisiert" worden seien. Hinter Namen der Vorstandsgenossen habe jeweils ein Kürzel gestanden: Z für zuverlässig, U für unabhängig, L für "Lafodödel", also für die Anhänger von Oskar Lafontaine. Mit ihm hatten sich Gysi und Bartsch damals überworfen. Kurz zuvor, beim Göttinger Parteitag, war Bartsch mit der Bewerbung für den Parteivorsitz gescheitert.

Mittwochmorgen im Goldenen Saal des Jakob-Kaiser-Hauses in Berlin, unter güldenem Stuck hat der scheidende Fraktionschef Gregor Gysi zu seinem letzten Pressefrühstück eingeladen. Er referiert kurz die Welt- und Flüchtlingslage und die eigene Stimmung: "Sie ahnen gar nicht, wie sehr ich mich auf den 14. Oktober freue." Da wird er auch schon nach den "Lafodödeln" gefragt. Zu ihnen gehörte auch die ganz Linke Sahra Wagenknecht, die inzwischen mit Lafontaine verheiratet ist und mit dem Reformer Bartsch eine politisch gemischte Fraktionsspitze bilden soll. Gute Vorzeichen für den Start sind das nicht.

Stimmt es denn, was Bartsch sagt, wird Gysi also gefragt: dass Gysi es gewesen sein soll, der Bartsch 2012 bat, ihm eine Einschätzung des neuen Parteivorstands zu übermitteln - und wer da für oder gegen Lafontaine sei. Gysi schüttelt den Kopf. Er habe nie Dossiers bestellt, sagt er. Genau könne er sich nicht erinnern, so gehe es ihm ja öfter. "Das einzige, was ich für möglich halte, ist, dass ich mich erkundigt habe: Wer ist da wer." Die "Struktur" des Vorstands habe ihn interessiert. "Aber dass ich Listen angefordert haben soll, ist absurd." Gesehen habe er dann Listen, das ja. "Als ich sie bekam, war ich schon unglücklich, weil ich die Methoden für unmöglich hielt." Ein Misstrauen zeige sich da, das überwunden gehöre. Das ist, räumt Gysi ein, "ein bisschen altes Denken".

Ich war nicht schuld, Bartsch war es, heißt das mit anderen Worten. Fraktionsvize Bartsch stellt das anders dar: Gysi habe die Sache initiiert, die aber mit Schnüffelei nichts zu tun habe. Das Kürzel "L" habe für "links" gestanden, das Wort "Lafodödel" habe er nur in einer einzigen Mail verwendet. "Dass das nicht freundlich war, weiß ich." Schon 2012 sei die Sache "parteiöffentlich" geworden und mit Betroffenen besprochen worden. Ansonsten sei es "ein vergleichsweise normaler Vorgang", so Bartsch, in Parteien nach Landesverbänden und Strömungen zu kategorisieren. "Ich brauchte keine Informationen, geschweige ein 'Ausspionieren', da ich jeden kannte." Dass Dossiers verfasst worden sein sollen, sei "horrender Unsinn." So gelassen sah das nicht jeder. Der Abgeordnete Jan van Aken habe sich bei der Fraktionssitzung am Dienstag "fürchterlich aufgeregt", sagt ein Teilnehmer. Auch Martina Renner, die als Obfrau im NSA-Untersuchungsausschuss sitzt, sei empört. "Ich halte das für einen Skandal", sagte Ex-Parteichef Klaus Ernst. "Es kann doch nicht sein, dass ein Mitarbeiter des Parteivorstands die eigenen Arbeitgeber katalogisiert und die Informationen weitergibt." Ein "unmöglicher Vorgang" sei das für die Linke. Ernst will Bartsch einen Fragenkatalog vorlegen - und über Konsequenzen nachdenken.

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