Libyen:Show mit Substanz

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Der französische Präsident Macron hat die libyschen Kontrahenten in einem Schloss bei Paris zusammengebracht. Schon das allein ist ein Fortschritt. Vielleicht ist die Zeit nun reif, Verhandlungen über eine politische Lösung zu starten. Europa kann darauf nur hoffen.

Von Moritz Baumstieger

Die Zahl derer, die Frankreichs neuen Präsidenten Emmanuel Macron für einen Blender mit Hang zum ganz großen Auftritt halten, ist in den vergangenen Wochen gewachsen. Nach seinem rauschhaft gefeierten Wahlsieg über die Rechte Marine LePen folgt bereits der Kater. Macrons jüngsten Coup werden manche Skeptiker als Bestätigung ihrer Annahme werten: Im Saal des Schlösschens von La Celle-Saint-Cloud bei Paris trat der junge Präsident vor die Presse, zu seiner Linken standen zwei ältere Herren mit Schnauzbärten. Während Macron davon sprach, dass "die Sache des Friedens einen großen Fortschritt" gemacht habe, nickten sie andächtig und hielten ihre Hände vor dem Schoss gefaltet wie Schulbuben.

Der diplomatische Durchbruch, den Macron hier feierte, wirkt nüchtern betrachtet ziemlich klein: Khalifa Haftar und Fayez al-Serraj sind die zentralen Gegenspieler in dem Machtkampf, der in Libyen auch im sechsten Jahr nach dem Sturz des Diktators Muammar al-Gaddafi jegliche Stabilität verhindert. Unter Macrons Vermittlung nun einigten sich der selbsternannte Chef der libyschen Armee, Haftar, und der von den Vereinten Nationen ernannte Premierminister der Übergangsregierung Serraj auf einen zehn Punkte umfassenden Plan. Die einzelnen Paragrafen sprechen von einem Waffenstillstand und von einer politischen Lösung der Krise, von Dialog und bald abzuhaltenden Wahlen. Was auf dem Papier aber nicht zu finden ist: Konkrete Schritte, mit denen diese so ehrenhaften wie vagen Absichten verwirklicht werden könnten. Und es fehlen auch die Unterschriften der beiden Kontrahenten, mit denen Haftar und Serraj ihren guten Willen zweifelsfrei bekunden würden.

Frankreich ist bei der Vermittlung in Libyen etwas vorangekommen

Trotzdem ist der Auftritt von La Celle-Saint-Cloud mehr als nur eine geschickte Inszenierung, mit der Macron Frankreich und sich selbst als internationale Krisenmanager profilieren will. Das eigentliche Verdienst des französischen Präsidenten besteht darin, dass die beiden Männer überhaupt neben ihm standen, miteinander sprachen und sich, wenn auch mit säuerlicher Miene, anschließend die Hände gaben. Zu dieser symbolischen Geste drängten in den vergangenen Monaten schon andere Vermittler: Im Februar etwa versuchte Ägypten, das Haftar unterstützt, die Männer zu einem gemeinsamen öffentlichen Auftritt zu bewegen. Serraj wartete Stunden in seinem Hotelzimmer, der General ließ ihn blamiert sitzen.

Haftars Armee beherrscht den Osten des Landes und hat in den vergangenen Wochen die Stadt Benghazi in der Landesmitte erobert. Der General tönte daraufhin, er könnte bis Jahresende auch die Hauptstadt Tripolis einnehmen, in der die Übergangsregierung agiert. Dass er damit seine Kräfte überzeichnet, weiß Haftar selbst, rein militärisch kann auch er das Ringen um die Macht nicht für sich entscheiden. Aber er fühlt sich nun offenbar stark genug, um sich auf Verhandlungen für eine politische Lösung einzulassen - und um die Regierung von Serraj so erstmals anzuerkennen. Der Premier, der zwar die Unterstützung der internationalen Gemeinschaft, aber nur wenig Macht im Land hat, sagt da nicht Nein.

Für Europa gibt es keine Alternative zu einer Übereinkunft zwischen Serraj und Haftar. Ein Sieg über die Terrormiliz IS in Syrien und im Irak verlöre viel an Wert, wenn in Libyen anarchische Zustände den Dschihadisten ein Comeback ermöglichten. Und solange sich im wichtigsten Transitland für Flüchtlinge die einzelnen Parteien gegenseitig bekämpfen, anstatt gemeinsam die staatlichen Strukturen zu stärken,können europäische Politiker den Aufbau einer Küstenwache, die Sicherung der libyschen Wüstengrenze und eine Verbesserung der Verhältnisse in den Lagern für Migranten so oft fordern, wie sie wollen.

© SZ vom 27.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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