Libyen:Deal ohne Handschlag

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Libyens zerstrittene Machtblöcke haben sich auf einen Fahrplan für eine politische Neuordnung geeinigt. Binnen eines Jahres soll es Neuwahlen geben - wie die machtvollen Milizen in eine Armee intergriert werden sollen, ist noch unklar.

Von Paul-Anton Krüger, Kairo

Es wäre ein Handschlag gewesen, der signalisiert hätte, dass in Libyen neue Zeiten anbrechen. Der Chef der international anerkannten Einheitsregierung in Tripolis, Fajez al-Serraj, und sein wichtigster Widersacher, der vom Repräsentantenhaus in Tobruk unterstützte General Khalifa Haftar, waren beide nach Kairo gekommen, um unter Vermittlung Ägyptens einen Ausweg aus der politischen Krise in dem nordafrikanischen Land zu suchen. Mahmoud Hegazi, Generalstabschef der ägyptischen Armee, sprach abwechselnd mit den beiden. Und er rang ihnen einen Fahrplan für eine politische Aussöhnung ab, der spätestens im Februar 2018 in Parlaments- und Präsidentenwahlen münden soll. Zum angekündigten direkten Treffen zwischen Serraj und Haftar kam es allerdings nicht - was sofort Zweifel nährte, ob die Vereinbarung umgesetzt wird. Haftar weigerte sich offenbar, Serraj zu sehen.

Solange es keine handlungsfähige Zentralmacht in Libyen gibt, fehlt der EU der Partner

Die ägyptische Initiative hat zum Ziel, die konkurrierenden Regierungen im Osten mit Sitz in Bayda und im Westen in Tripolis zusammenzuführen und dem Staatszerfall in dem Land zu stoppen. Sie wird von den Vereinten Nationen unterstützt und auch von der Europäischen Union. Diese hat zwar in Serraj in Tripolis ihren offiziellen Ansprechpartner. Ihm ist es aber seit seinem Amtsantritt im März 2016 nicht gelungen, tatsächlich die Kontrolle über das Land zu übernehmen, nicht einmal im Westen. Dagegen hat Haftar, der die Armee im Osten des Landes kontrolliert und von Ägypten, den Vereinigten Arabischen Emiraten und Russland unterstützt wird, mit der Eroberung wichtiger Ölanlagen und Häfen seine Macht gefestigt. Solange es jedoch keine handlungsfähige Zentralmacht in Libyen gibt, fehlt der EU der Partner, um wirksam gegen Schleuserbanden vorgehen zu können. Diese haben im vergangenen Jahr laut der EU-Grenzschutzagentur Frontex 181 000 Migranten per Boot auf der zentralen Mittelmeerroute Richtung Italien geschickt; für das laufende Jahr rechnet Frontex mit ähnlichen Zahlen. Mehr als 4500 Menschen ertranken 2016 beim Versuch, nach Europa zu gelangen.

Die nun in Kairo erzielte Einigung sieht vor, dass das Parlament in Tobruk sowie der mit der Serraj-Regierung verbundene Staatsrat in Tripolis jeweils 15 Mitglieder in eine gemeinsame Kommission entsenden. Sie soll über die künftige Machtverteilung beraten und entsprechende Änderungen an dem von den UN vermittelten politischen Abkommen und der Verfassung erarbeiten. Das Parlament in Tobruk müsste diese dann beschließen. Spätestens in einem Jahr sollen Wahlen den Prozess abschließen. Der Sprecher des Parlaments in Tobruk, Aguila Saleh, stimmte dem Plan ebenfalls zu. Für die Zwischenzeit sollen sich die rivalisierenden Regierungen auf ein Übergangskabinett einigen.

Die Schlüsselfrage ist, welche Rolle Haftar in der Übergangsregierung und in der Zeit nach den Wahlen spielen soll. Serraj hatte ihm dem Vernehmen nach den Vorsitz eines Vereinten Militärrates angeboten, dem aber auch Vertreter von Milizen angehört hätten. Haftar lehnte dies offenbar als unzureichend ab. Unter mit Libyen befassten Diplomaten kursierte auch ein Vorschlag, Saleh und Haftar zu Stellvertretern Serrajs zu machen und Haftar das Oberkommando über die libysche Armee zu übertragen, die dann erst noch für das gesamte Land gebildet werden müsste. Ein der schwierigen Fragen dabei ist, wie die Milizen integriert werden könnten, die Haftar teilweise als Feind betrachten.

Ägypten setzte seine Vermittlungsbemühungen fort und empfing am Donnerstag in Kairo Vertreter des Staatsrates aus Tripolis, die sich zu einem Treffen mit Abgeordneten des Repräsentantenhauses bereit erklärten. Zugleich bat die Serraj-Regierung die Nato um Unterstützung beim Aufbau von Sicherheitsstrukturen in Libyen.

© SZ vom 17.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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