Kurden:Fast wie ein Familienfest

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Gegen die türkische Regierung: Kurdische Demonstrantinnen in Köln mit dem Konterfei des PKK-Führers Abdullah Öcalan. (Foto: Henning Kaiser/dpa)

Die Demo von Kurden in Köln verläuft ganz entspannt - aber türkische Politiker unterstellen den Deutschen Doppelmoral.

Von Bernd Dörries, Köln

Auf den ersten Blick sieht es aus wie eine Döner-Grill-Weltmeisterschaft. Ein Stand neben dem anderen, die Spieße drehen ihre Runden. Die Cola ist in der Hitze warm geworden, ein paar Kinder liegen im Schatten und schlafen. Es sieht nicht unbedingt aus wie eine politische Demonstration, eher wie ein Familienfest. Aus ganz Europa sind 30 000 Kurden am Samstag nach Köln gekommen, auf den Dönerständen sind kleine Zettel mit den Herkunftsorten angebracht.

Es wirkt zunächst wie das Gegenteil jener Demonstration vor fünf Wochen, als genau am selben Ort die Anhänger von Erdoğan demonstrierten. Da gab es keinen Döner, da kochte die Menge und rief nach der Todesstrafe für die Putschisten - und für die anderen Gegner von Erdoğan. Die demonstrieren am Samstag nun ganz entspannt. Es gibt kaum Frauen mit Kopftüchern, ein paar Männer trinken Bier.

Als sich die Anhänger von Erdoğan versammelten, diskutierte das halbe Land, ob denn so etwas gehe, ob die türkische Politik ihre Konflikte hier in Deutschland austragen dürfe, warum AKP-Minister hier das Wort ergreifen.

Gut 1000 Polizisten sind im Einsatz, zu Zwischenfällen kommt es nicht

Bei den Kurden gibt es diese Diskussion nicht. Obwohl sehr viele Teilnehmer T-Shirts mit dem Portrait von Abdullah Öcalan tragen, dem inhaftierten Führer der auch hierzulande verbotenen PKK. Auf der Bühne hängt ein Bild von Öcalan, Kinder schwenken Fahnen mit seinem Gesicht. Symbole der PKK seien verboten, das Konterfei ihrer Galionsfigur aber in Ordnung, hatte Kölns Polizeipräsident Jürgen Mathies gesagt. Ohne zu erklären, worin denn genau der Unterschied liege.

Als die Anhänger von Erdoğan demonstrierten, verboten die Verwaltungsbehörden die Zuschaltung des Staatspräsidenten per Video: Die Auftritte ausländischer Politiker seien nicht von der Versammlungsfreiheit gedeckt. Bis vor das Bundesverfassungsgericht zogen die Veranstalter, das Gericht lehnte den Erdoğan-Auftritt ab. Nach der Veranstaltung am Samstag warf der deutsch-türkische AKP-Abgeordnete Mustafa Yeneroğlu den deutschen Medien und Politikern "Doppelmoral" vor. Die Behörden hätten zugelassen, dass der PKK-Funktionär Cemil Bayık ein Grußwort an die Demonstranten richte.

Ein Sprecher der Kölner Polizei sagte hingegen, eine solche Zuschaltung habe es nicht gegeben, entsprechende Videos im Internet seien Montagen. Yeneroğlu sagt dennoch: Die gleichen Leute, die die AKP-nahe Kundgebung in Köln Ende Juli kritisiert hätten, seien jetzt "vor der Demo einer Terrororganisation in derselben Stadt plötzlich verstummt. Wo sind die Politiker, die nicht wollen, dass externe Konflikte in Deutschland ausgetragen werden?"

Etwa 1000 Polizisten waren am Samstag im Einsatz, zu Zwischenfällen kam es nicht. Mathies führte dies auf klare Vorgaben der Polizei zurück. Auch die Veranstalter hätten konstruktiv zu einem sicheren Ablauf beigetragen. Der Vorsitzende der pro-kurdischen Oppositionspartei HDP, Selahattin Demirtaş, griff die Erdoğan-Regierung als "diktatorisch" an. Der Linke-Vorsitzende Bernd Riexinger forderte die Freilassung Öcalans. "Wir dürfen auch nicht akzeptieren, dass die PKK in Deutschland verboten ist", sagte er. Riexinger fordert dies an einem Wochenende, an dem bei Angriffen der PKK 18 türkische Soldaten getötet werden.

Am Sonntag demonstrierte dann auch die rechtsextremistische Partei Pro NRW gegen Erdoğan, es kamen allerdings nicht mehr als 50 Teilnehmer, die von 1000 Polizisten überwacht wurden. Die linke Gegendemonstration kam auf etwa ebenso viele Teilnehmer. Angesichts der ständigen Demonstrationen in Köln forderte Oberbürgermeisterin Henriette Reker, Großdemonstrationen aus dem Innenstadtkern zu verbannen.

© SZ vom 05.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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