Kuba:Die Saurier leben noch

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Die Aufbruchstimmung nach der Öffnung des Lands durch Raúl Castro für den Dollar ist schon wieder verflogen. Der designierte Nachfolger der Castro-Brüder, Miguel Díaz-Canel, macht deutlich, dass er mit dem sozialistischen Erbe nicht brechen will.

Von Boris Herrmann

Wenn Kuba eine Demokratie wäre, dann hätte dort gerade die Wahlsaison begonnen. Überall im Land hängen jetzt Plakate mit der Aufschrift: "Für Kuba! Ein echtes Lehrbeispiel der Demokratie." Doch viel auszuwählen gibt es nicht. Immerhin, dass die Staatsführung meint, für ihre sogenannten Wahlen werben zu müssen, ist ein kleines Zeichen des Fortschritts. Der junge Fidel Castro hätte sich mit so etwas nicht abgegeben. Sein Motto lautete: Wahlen - wozu?

Es ist jetzt ein Jahr her, seit Castro in einem mehrtägigen Trauermarsch zu Grabe getragen wurde. Mit den Kommunalwahlen an seinem ersten Todestag hat das Land nun ein komplexes Verfahren angestoßen, das am 24. Februar 2018 mit der Kür eines Nachfolgers für Raúl Castro enden soll. Falls der jüngere der Castro-Brüder, 86, an diesem Tag tatsächlich wie versprochen als Präsident abtritt, dann beginnt eine neue Zeitrechnung. Ganz wie es Fidel in seiner letzten Parteitagsrede angekündigt hatte: "Unsere Spezies wird verschwinden, so wie die Dinosaurier verschwunden sind."

Castros mutmaßlicher Erbe nennt Reformen konterrevolutionär

Fast 80 Prozent der Kubaner wurden nach der Revolution von 1959 geboren. Ein Land ohne die Saurier, also ohne die Castros, kennen sie nicht. Zu diesen 80 Prozent gehört auch der mutmaßlich nächste Präsident, Miguel Díaz-Canel, Jahrgang 1960. Bis vor Kurzem wurde der gelernte Elektroingenieur dem Reformflügel der Kommunistischen Partei zugerechnet. Mit ihm verbanden sich durchaus Hoffnungen auf eine weitere Normalisierung des Landes, politisch wie wirtschaftlich - auf einen spürbaren Generationswechsel. Aber je näher die Beförderung des ersten Staatsrats-Vizepräsidenten rückt, umso deutlicher wird, dass sich in Kuba wohl doch nicht so viel ändern dürfte.

Díaz-Canel hat seinen Tonfall zuletzt unüberhörbar radikalisiert. Vor den Kommunalwahlen bezeichnete er interne Bestrebungen zur Reform des Systems als "konterrevolutionär". Ohne seine persönlichen Ambitionen offenzulegen, teilte er mit: Einen Bruch werde es auch mit dem nächsten Präsidenten nicht geben.

Das alles klingt eher nach dem frühen Fidel als nach dem späten Raúl, der sein Land für die Segnungen und Gefahren des Dollars geöffnet hat, aus Mangel an Alternativen. Im Staatsrat sitzen aber immer noch zahlreiche Helden der Saurier-Generation, die mit diesem Kurs noch nie etwas anfangen konnten. Und seit in Washington der Krawallmacher Trump den Kuba-Fan Obama ablöste, gewinnen auch in Havanna wieder die Hardliner an Einfluss.

Die Kehrtwende Díaz-Canels hat wohl auch damit zu tun, dass er seine Karrierepläne nicht gefährden will. Denn das Machtsystem funktioniert immer noch so: Aus den Kommunalparlamenten, die gerade per Einheitslisten gewählt wurden, geht eine Nationalversammlung hervor, die ihrerseits den Staatsrat bestimmt, der wiederum den Präsidenten aussucht. Díaz-Canel ist erfahren genug, um zu wissen: Wer die Castros beerben will, sollte nicht durch allzu viel Reformeifer auffallen.

© SZ vom 06.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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